Rebecca
aber Rebecca fand die Geste traurig. »Eine Familie, die ein Pflegekind aufnimmt, bekommt jeden Monat einen gewissen Betrag für den Unterhalt.«
Für einen Moment sagte niemand etwas. Suzans Blick wurde weicher. »Hast du keine Eltern mehr?«
Dennis schüttelte den Kopf. »Mein Vater starb schon vor meiner Geburt und meine Mutter hat mich im Stich gelassen, als ich noch ein Baby war. Es heißt zwar, man könne sich an die Zeit als Baby nicht erinnern, aber ich weiß noch, wie sie mich in den Armen hielt. Sie ließ mich bei einer Tante zurück, aber die wollte mich auch nicht haben.« Er schaute auf seinen Teller, legte sein Messer hin und machte wieder so eine resignierte Bewegung. »So kann’s gehen. Das ist Vergangenheit. Es ist vorbei.«
»Also lebt deine Mutter vielleicht noch?«, fragte Rebecca.
»Keine Ahnung. Ich habe sie nie wiedergesehen. Wenn ich an sie denke, höre ich die Stimme eines Engels.«
Rebecca kamen die Tränen. Sie hätte am liebsten gesagt, dass sie ihn verstehen konnte, weil auch sie ihre Mutter verloren hatte, aber bei ihr war es etwas ganz anderes, denn sie hatte ihren Vater, Suzan und ihren Bruder. Dennis hatte niemanden. Sie schaute Rob an, der schweigend neben ihrem Retter saß. Sie wusste nicht, was er dachte, aber es herrschte eine verlegene Stille, weil niemand so recht wusste, was er sagen sollte.
Dennis griff nach seinem Glas. »Ich rede nicht gern darüber, denn dann werde ich bemitleidet und das mag ich gar nicht.« Er nickte Roelof zu und trank einen Schluck Wein, als sei das Thema, was ihn betraf, abgeschlossen.
»Hast du noch Kontakt zu deiner Tante?«, fragte Suzan.
»Sie lebt nicht mehr.« Dennis lächelte flüchtig. »Sie hat mir ein bisschen Geld hinterlassen. Ich kann zwar nicht davon leben, aber wenn ich mal keine Arbeit habe, brauche ich wenigstens nicht beim Sozialamt anzuklopfen. Das ist mir früher nicht erspart geblieben und ich fand es jedes Mal sehr unangenehm.«
»Manchmal geht es eben nicht anders«, sagte Suzan.
»Wenn man will, findet man immer Arbeit«, erklärte Dennis. »Ich bin nicht wählerisch, ich mache alles.«
Suzan lächelte anerkennend. »Und was ist mit deinen Pflegeeltern?«
Dennis schüttelte den Kopf. »Ich bin ihnen dankbar für das, was sie für mich getan haben, aber ich habe mich bei ihnen nie zu Hause gefühlt. Das einzig Gute war, dass sie in einem Dorf wohnten, umgeben von Wiesen und Weiden, in der Nähe der Maas. Ich bin gern an der frischen Luft. Aber auf Dauer konnte ich nicht mehr bei ihnen bleiben, und danach habe ich in einer Art Waisenhaus gewohnt.« Dennis verzog das Gesicht. »Familienersatzunterbringung nannte man das. Mit achtzehn konnte ich da weg. Ich wollte auf eigenen Beinen stehen, meinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Irgendwann muss man das einfach.«
Er hat es wirklich schwer gehabt, dachte Rebecca. Sie hätte ihm gern in die Augen geschaut, aber er beachtete sie kaum.
»Wie alt bist du?«, fragte Rob, auffallend direkt für seine sonstige Art, als ärgere er sich über irgendetwas.
Dennis schaute ihn ein wenig herablassend an. »Vierundzwanzig.«
»Und was arbeitest du?«
Roelof räusperte sich. »Bestimmt findest du es unhöflich, dass wir dich so ausfragen. Sag einfach, wenn du nicht darüber reden willst.«
Dennis lächelte. »Fragt ruhig. Ich habe nichts zu verbergen. Ich habe alles Mögliche gemacht, auch Dinge, auf die ich nicht besonders stolz bin.«
»Das passiert jedem mal«, meinte Roelof.
Dennis musterte ihn schweigend. »Dir aber bestimmt nicht«, sagte er dann.
»O doch.« Roelof nickte verlegen. »Jeder tut irgendwann im Leben einmal etwas, was sich nicht mehr ungeschehen machen lässt. Man kann nur versuchen, später im Leben anders zu handeln und auf diese Weise etwas gutzumachen.«
Dennis lächelte. »In einem nächsten Leben?«
»Karma!«, sagte Rebecca.
Alle schauten sie an. Dennis endlich auch. Mit diesen Augen, die sie erröten ließen. »Ich habe mal was darüber gelesen«, sagte sie.
Roelof lächelte spöttisch. »Meine Tochter liest alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Das hat sie von ihrer Mutter.«
Dennis kam Rebecca zu Hilfe. »Bestimmt gibt es so etwas wie Wiedergeburt.«
»Kann sein, aber ich meinte, dass man in diesem Leben noch mal von vorn anfangen kann.« Roelofs und Suzans Blicke trafen sich. »Man kann froh sein, wenn man eine solche Chance erhält.« Er öffnete seine Hand auf dem Tisch, wie er es oft tat, und Suzan lächelte und legte ihre Hand in
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