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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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musste mir den Mund fusselig reden, um ihn davon zu überzeugen, dass er es schaffen würde, den Bauernhof in Acquoy zu kaufen. Ohne Suzan hätte er es nie getan. Er hatte Angst vor der Dunkelheit.«
    Rebecca fragte sich, was ihr Großvater ihr eigentlich sagen wollte. Dass alles anders gekommen wäre, wenn Roelof keine Eisenbahn geschenkt bekommen hätte? Dass er sich nicht ohne Grund vor einen Zug gelegt hatte? Dass er sich ganz bewusst auf die Schienen geworfen hatte, anstatt von einer Brücke oder einem Hochhaus zu springen? Dass ihr Vater sich umgebracht hatte, weil der letzte Rückschlag einer zu viel gewesen war und er Angst hatte vor der Dunkelheit? »Ach, Quatsch«, sagte sie dickköpfig. »Er war stark genug.«
    »Ja, solange es keine Probleme gab. Er hat im Leben zweimal richtiges Glück gehabt. Das erste Mal, als er Emma traf, da fand er auch die gute Stelle bei van Beek. Sein erstes Glück hieß Emma, das zweite Suzan.« Der alte Mann sah seine Enkelin schweigend an. »Aber das hat wohl nicht gereicht.«
    Rebecca weinte leise. Sie verstand ihn noch immer nicht.
    »Du hast mir mal erzählt, dass du dich manchmal fühlst, als lebtest du in einem Roman«, sagte ihr Großvater. »Aber ein Roman ist eine Geschichte, die sich irgendjemand ausdenkt, ein Märchen zur Unterhaltung. Das wahre Leben ist nicht mehr als das Chaos des Alltags. Ich habe mal irgendwo den Satz gelesen, dass das Leben mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet und wir dazwischen wie Blinde einen Fuß vor den anderen setzen.«
     
    Rebecca ließ ihr Fahrrad auf die Einfahrt fallen, als sie Lukas wie rasend bellen hörte, vor dem geschlossenen Stall. Sie rannte hin und riss die Tür auf. Der Hund raste vor ihr her den Mittelgang entlang und sprang bellend vor dem Schafpferch hin und her, wo Dennis tobend und fluchend mit dem Stiel der Heugabel auf Harry einschlug. Der Widder sprang beiseite, senkte die Hörner und griff erneut an.
    »Dennis! Nein!«
    Dennis erschrak, war für einen Moment abgelenkt, und Harry rammte ihm die Hörner in die Hüfte. Dennis fiel mit einem Schrei zur Seite um, rappelte sich aber blitzschnell auf, drehte die Heugabel und richtete die spitzen Metallzinken auf den Widder, der sich mit gesenkten Hörnern für die nächste Attacke bereitmachte.
    »Hör auf!«, schrie Rebecca. Sie stieß die Stalltür auf. »Komm da raus!« Der Hund wollte in den Pferch, sie erwischte ihn gerade noch am Nackenfell. »Lukas, weg mit dir! Pfui!«, rief sie.
    »Scheißvieh!« Dennis hielt die Heugabel auf Harry gerichtet, während er rückwärts zur Türe ging. Der Widder schnaubte und stampfte vor Wut.
    Rebecca zog Dennis am Hemd aus dem Stall und knallte wütend die Tür zu. »Bist du verrückt geworden? Was machst du denn hier?«
    »Was soll das heißen, was machst du hier?« Sie erschrak vor seinem Blick. »Ich wollte den Stall ausmessen, wenn du’s genau wissen willst. Die Schafe sind brav rausgegangen, nur dieses Mistvieh gehorcht einfach nicht. Der muss mal spüren, wer hier der Chef ist. Er oder ich!«
    »Hier ist niemand der Chef!«, entgegnete Rebecca empört.
    »Das merke ich«, schnauzte er sie an. »Höchste Zeit, dass sich das ändert, denn so kann ich nicht arbeiten!«
    »Du hättest Rob rufen können oder Suzan.«
    »Die sind nicht da, Suzan ist einkaufen oder Gott weiß wo.«
    Lukas stand vor Dennis und knurrte ihn an. Rebecca konnte vor Entsetzen kaum klar denken. Dennis hielt die Heugabel so fest umklammert, dass die Knöchel seiner Faust weiß hervortraten. Er rieb sich über die Hüfte, wo Harry ihn erwischt hatte, seine Wut stand zwischen ihnen. Rebeccas Blick fiel auf ein Maßband und einen umgeschlagenen Notizblock auf der Betonmauer. Mit Kuli waren Rechtecke und Zahlen darauf eingetragen. Rebecca überlegte gerade, ob sie die Situation vielleicht falsch einschätzte, da sagte Dennis: »Der geht jetzt raus!«, hob die Heugabel und wollte zurück in den Pferch.
    Seine Schulter fühlte sich unter ihrer Hand steinhart an. »Du bleibst hier«, sagte sie. »Ich mach das schon.« Sie fuhr den Hund an: »Ab, Lukas!«
    Lukas gehorchte, blieb aber auf halbem Wege im Mittelgang stehen und starrte Dennis an. Rebecca betrat den Stall, schloss die Tür hinter sich, blieb stehen.
    »Pass bloß auf, das ist ein ganz hinterhältiges Vieh!«, warnte Dennis.
    Rebecca biss die Zähne zusammen, als sie das Blut an Harrys Kopf sah, über dem Auge, wo ihn die Heugabel getroffen hatte. Der Widder drehte sich und senkte die Hörner,

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