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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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bereit zum Angriff, als sei sie eine Fremde. Es stimmte Rebecca traurig. Dennis hatte keine Ahnung. Die Schafe konnte man streicheln und mit Brotstückchen füttern, aber einen Widder konnte man nicht so behandeln, sonst schlug sein spielerisches Verhalten mir nichts, dir nichts in Aggression um und das war nie wieder gutzumachen. Das Tier konnte nichts dafür. Die einzig richtige Art, mit einem Widder auszukommen, bestand darin, ihn so weit wie möglich zu ignorieren.
    Harry hatte Schmerzen, er zog ein Hinterbein an. Rebecca beobachtete ihn und zwang sich zur Ruhe. »Im Schränkchen neben dem Wasserhahn steht eine Sprühdose, oben rechts«, sagte sie, ohne ihre Stimme zu erheben. »Hol sie mir.«
    Dennis gab einen verächtlichen Laut von sich, aber sie hörte seine Schritte und Lukas’ unterdrücktes Knurren, als Dennis an ihm vorbeihinkte. Sie wartete, bis er wiederkam und ihr die Sprühdose in die Hand drückte.
    »Danke«, sagte sie ruhig.
    »Du kannst meine Hüfte gleich mit verarzten«, sagte er.
    Sie ignorierte ihn und ging in die Hocke. Sie hatte gelernt, dass es die Tiere beruhigte, wenn man sich auf eine Höhe mit ihnen begab und die Hände nicht zu auffällig zeigte, denn für ein in die Enge getriebenes Tier sahen Hände aus wie Köpfe, sodass ein herumfuchtelnder Mensch für sie ein bedrohliches Monster mit drei Köpfen war. Außerdem musste man es vermeiden, sie direkt anzusehen. Jetzt kann ich nochmal ganz von vorne anfangen, dachte sie. Verdammt!
    Langsam bewegte sich Rebecca vorwärts. Der Widder schnaubte nervös, zog die Oberlippe hoch und stampfte. Das Gesicht zum Boden gerichtet, streckte Rebecca eine Hand aus. »Harry, ruhig, ganz ruhig, Harry, komm mal her.« Sie wiederholte ihre Worte, versuchte, ihn mit ihrer Stimme zu beruhigen. Sie berührte ihn am Kinn, legte ihre Hand unter seinen Kopf. »Steh«, sagte sie. »Ganz ruhig, Harry.«
    Als sie seinen Kopf festhielt, ließ der Widder sie gewähren. Er schreckte zurück, als sie die Hand mit der Sprühdose hob und er mit kaltem Desinfektionsmittel eingenebelt wurde, aber es gelang Rebecca, genügend davon auf die Wunde zu sprühen. Sie blieb in gebückter Haltung stehen.
    »So, jetzt geh schön.« Sie gab ihm einen Klaps auf den Rücken. »Raus, na los!«
    Sie folgte ihm durch die Öffnung. Draußen blieb sie einen Moment stehen. Die Schafe hielten sich hinten auf der Weide in der Nähe des Wohnmobils auf und Harry ging zu ihnen, auf einem Hinterlauf hinkend. Mitten auf der Weide blieb er stehen und fing an zu grasen, als habe er den Zwischenfall schon wieder vergessen.
    Tiere vergaßen, sie hatten kein Gedächtnis. Sie konnten allerdings Assoziationen bilden. Der Widder würde Dennis für immer mit Stock, Schmerzen, Feind verbinden. Rebecca fragte sich, ob sie Dennis solche Dinge beibringen konnte, und ob sie überhaupt Lust dazu hatte.
    Sie kehrte in den Stall zurück. Dennis stand im Mittelgang und kritzelte auf seinem Notizblick herum, als sei nichts geschehen.
    Rebecca schloss die Außentür und sagte: »Bei uns werden keine Tiere geschlagen, damit erreicht man nämlich gar nichts. So etwas darfst du nie wieder tun.«
    Sie sah, wie seine Augen wütend aufblitzten, als könne er es nicht ertragen, dass sie ihm die Leviten las oder ihm etwas verbot. Die blaue Kälte machte ihr Angst, doch es dauerte nur eine Sekunde. Dann war es wieder vorbei und er lächelte versöhnlich. »Okay«, sagte er. »Es tut mir leid. Willst du mal sehen, was ich gerade mache?«
    »Ein andermal.«
    Er ging auf sie zu, nahm sie an der Schulter und wollte sie an sich ziehen. »Komm mal her.«
    Sie machte sich los und wich zurück. »Ich hab keine Zeit«, sagte sie. »Ich gehe morgen wieder in die Schule und muss noch ein Referat fertig schreiben.«
    Er hielt den Notizblock hoch. »Das ist für die Gärtnerei«, sagte er. »Wir können den Stall …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich muss jetzt wirklich los.«
    Dennis blieb stehen. »Aha«, sagte er. »Du bist mir böse.«
    »Ich habe mich erschrocken, sonst nichts.«
    Er nickte. »Sehen wir uns heute Abend?«
    Sie gab keine Antwort, drehte sich verwirrt um und rief Lukas zu sich. Der Hund folgte ihr aus dem Stall. Sie schloss die Tür und lehnte sich dagegen, ihr zitterten die Knie, der Himmel sah eigenartig aus, schwarzgrün. Seine Augen gingen ihr nicht aus dem Sinn, die Augen eines Fremden.
     
    Dennis hatte sich Suzans Auto ausgeliehen, weil er mit jemandem über die Verwendung seines Erbes sprechen wollte.

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