Rebecca
tun gehabt, daß ich mich erst in letzter Minute um mein Kostüm kümmern konnte. Ich habe mir gestern ein paar alte Hosen und ein gestreiftes Fußballhemd herausgesucht, und dann wollte ich mir einen schwarzen Lappen über das eine Auge binden und als Seeräuber kommen.»
«Warum haben Sie uns denn um Himmels willen nicht geschrieben?» fragte Beatrice. «Wir hätten Ihnen gut ein Kostüm leihen können, zum Beispiel ein holländisches, das Roger letzten Winter trug. Es hätte Ihnen fein gepaßt.»
«Ich würde es meinem Verwalter sehr verübeln, wenn er als holländischer Bauerntölpel erschiene», sagte Maxim. «Seine ganze Autorität den Leuten gegenüber würde flötengehen.
Als Pirat besteht wenigstens noch die Chance, daß er sie einschüchtert.»
«So wie Frank habe ich mir immer einen Seeräuber vorgestellt», flüsterte Beatrice mir ins Ohr.
Ich tat, als ob ich es nicht gehört hätte. Der arme Frank – sie hatte immer etwas an ihm auszusetzen.
«Wie lange werde ich dazu brauchen, mein Gesicht zu schminken?» fragte Giles.
«Wenigstens zwei Stunden», sagte Beatrice. «An deiner Stelle würde ich langsam damit anfangen. Wie viele sind wir denn bei Tisch?»
«Sechzehn», sagte Maxim, «uns einbegriffen. Keine Fremden, lauter gute Bekannte.»
«Ich bekomme tatsächlich schon Ballfieber», erklärte Beatrice. «Es ist doch ein Heidenspaß.
Ich bin froh, daß du dich endlich wieder dazu entschlossen hast, Maxim.»
«Das hast du nur ihr zu verdanken», Maxim deutete auf mich.
«Ach, das ist ja nicht wahr», sagte ich. «Lady Crowan ist an allem schuld.»
«Unsinn», sagte Maxim lächelnd. «Du weißt genau wie ich, daß du so aufgeregt bist wie ein Kind vor der ersten Geburtstagsgesellschaft.»
«Das bin ich gar nicht.»
«Ich brenne schon darauf, dein Kostüm zu sehen», sagte Beatrice.
«Es ist wirklich nichts Besonderes», versicherte ich.
«Mrs. de Winter hat uns immerhin versprochen, daß wir sie nicht wiedererkennen werden», sagte Frank.
Alle sahen mich an und lächelten. Ich fühlte mich stolz und heiß und glücklich. Sie waren alle so nett zu mir. Der Gedanke an den Ball und daß ich die Gastgeberin war, machte mir plötzlich Spaß. Das Fest wurde ja mir zu Ehren gegeben, zu Ehren der jungen Herrin von Manderley.
Ich saß auf einem Tisch in der Bibliothek und schlenkerte mit den Beinen, während die anderen um mich herum-standen, und ich wäre zu gern schon nach oben gegangen, um mein Kleid anzuziehen und die Perücke aufzusetzen und vor dem großen Wandspiegel auf-und abzugehen. Es war ein ganz neues, überraschendes Gefühl, auf einmal so wichtig genommen zu werden und den Mittelpunkt im Kreis von Giles, Beatrice, Frank und Maxim zu bilden, die alle von mir und meinem Kostüm sprachen und neugierig hin und her rieten. Ich dachte an das weiche weiße Seidengewand, das meine Magerkeit und meine allzu abfallenden Schultern verbergen würde, und an die glänzende Lockenfülle, unter der ich mein eigenes strähniges Haar verstecken konnte.
«Wie spät ist es eigentlich?» fragte ich mit gespieltem Gleichmut und tat so, als ob ich hinter der vorgehaltenen Hand gähnte. «Wird es nicht bald Zeit, sich umzuziehen?»
Als wir auf dem Weg nach oben die Halle durchquerten, fiel mir zum erstenmal auf, wie wunderbar sich das Haus für einen Ball eignete und wie festlich die Zimmer aussahen. Selbst der Salon, der sonst immer so kalt und steif wirkte, schien jetzt in flammenden Farben zu brennen. In jeder Ecke standen Blumen, rote Rosen in Silberschalen auf den weißgedeckten langen Tischen; die Glastüren zur Terrasse standen offen, und sobald die Dämmerung begann, würde von draußen die märchenhafte Gartenbeleuchtung hereinscheinen. Die Musiker hatten ihre Instrumente und Notenpulte oben in der Galerie aufgebaut, und über der Halle selbst lag es wie gespannte Erwartung. Sie strahlte eine Wärme aus, die ich früher nie bemerkt hatte und die wohl auf den lauen Sommerabend, die Blumen-pracht unter den Bildern und auf unser Lachen zurückzuführen war.
Ich traf Clarice schon in meinem Schlafzimmer an; ihr rundes Bauerngesicht glühte vor Aufregung. Wir kicherten wie die Schulmädchen, und ich bat sie, die Tür zuzuschließen.
Dann setzte ein lebhaftes und geheimnisvolles Geraschel von Seidenpapier ein; wir flüsterten wie die Verschwörer, wir gingen auf den Zehenspitzen. Maxim befand sich in seinem Ankleidezimmer; vor ihm schützte uns eine dicke Wand und die abgeschlossene Tür. Heute
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