Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
Vom Netzwerk:
konnte sie niemand übertreffen. An ihrem vierzehnten Geburtstag kutschierte sie ganz allein vierspännig, und ihr Vetter, Mr.
    Jack, kroch zu ihr auf den Bock und versuchte, ihr die Zügel aus der Hand zu nehmen. Wie zwei Wildkatzen haben sie sich gebalgt, während die Pferde durchgingen. Aber sie blieb Siegerin, meine Herrin. Sie knallte ihm die Peitsche um die Ohren, so daß er fluchend und lachend Hals über Kopf vom Wagen stürzte. Das waren mir schon die Richtigen, diese beiden. Mr. Jack haben sie dann in die Marine gesteckt, aber er konnte sich der Disziplin dort nicht fügen; und ich mache ihm keinen Vorwurf daraus. Er hatte viel zuviel Temperament, um gehorchen zu können, genau wie meine Herrin.»
    Ich beobachtete sie, abgestoßen und fasziniert zugleich; ein eigentümliches schwärmerisches Lächeln umspielte ihre Lippen und ließ ihr faltiges Totengesicht noch älter und unheimlicher erscheinen. «Niemand hat sie jemals klein bekommen», fuhr sie fort. «Sie tat nur, was sie wollte; sie lebte ihr eigenes Leben. Sie war stark wie eine junge Löwin. Ich erinnere mich noch, wie sie sich mit sechzehn Jahren auf eines der Pferde von ihrem Vater schwang, einen riesigen Hengst, von dem der Stallknecht behauptet hatte, er sei zu wild, um geritten zu werden. Aber sie ließ sich nicht abwerfen. Ich sehe noch, wie sie mit fliegenden Haaren auf ihn einschlug und ihm die Sporen in die Seiten trieb, daß das Blut heruntertropfte; und als sie abstieg, zitterte das Tier am ganzen Körper und war mit Schaum und Blut bedeckt. ‹Das wird er sich schon merken, was Danny?› sagte sie und ging, um sich die Hände zu waschen, so kühl wie stets. Und so hat sie auch das Leben angepackt, als sie erwachsen wurde. Ich habe sie gesehen; ich war immer bei ihr. Sie machte sich aus nichts und aus niemand etwas. Und dann wurde sie zum Schluß doch geschlagen. Aber nicht von einem Menschen. Das Meer hat sie besiegt. Das Meer allein war stärker als sie.»
    Sie brach ab; um ihre Lippen zuckte es, ihre Mundwin-kel zogen sich herab. Sie fing an, mit offenem Mund zu weinen, aber ihre Augen blieben trocken.
    «Mrs. Danvers», sagte ich, «Mrs. Danvers!» Ich stand hilflos vor ihr und wußte nicht, was ich tun sollte. Ich mißtraute ihr nicht länger und hatte keine Angst mehr vor ihr. Aber der Anblick, wie sie da mit trockenen Augen schluchzte, ließ mich schaudern, erregte ein Gefühl von Übelkeit in mir. «Mrs. Danvers», sagte ich. «Sie sind krank, Sie sollten zu Bett gehen.
    Gehen Sie doch auf Ihr Zimmer und legen Sie sich hin. Wollen Sie sich nicht ausruhen?»
    Sie sah wütend zu mir auf. «Lassen Sie mich doch zufrieden», rief sie. «Was geht es Sie an, wenn ich meinen Kummer zeige. Ich schäme mich nicht. Ich brauche mich nicht in mein Zimmer einzuschließen, wenn ich weinen will. Ich gehe nicht hinter verschlossenen Türen stundenlang in meinem Zimmer auf und ab, wie Mr. de Winter das tut.»
    «Was meinen Sie damit?» fragte ich. «Mr. de Winter tut das gar nicht.»
    «Er hat es getan», sagte sie. «Damals, als sie starb. In der Bibliothek. Ich hörte ihn, auf und ab, auf und ab. Ich habe ihn sogar dabei durch das Schlüsselloch beobachtet, mehr als einmal, hin und her, hin und her, wie ein gefangenes Tier.»
    «Ich will nichts mehr hören», sagte ich, «ich will es nicht wissen.»
    «Und dann glauben Sie, daß Sie ihn auf Ihrer Hochzeitsreise glücklich gemacht haben, glücklich gemacht, Sie, ein junges, unerfahrenes Mädchen, das seine Tochter sein könnte!
    Was wissen Sie schon vom Leben und von den Männern? Sie kommen einfach her und bilden sich ein, Sie könnten Mrs. de Winter ersetzen. Sie – meine Herrin ersetzen! Ha, selbst die Dienstboten haben gelacht, als sie Sie zu sehen bekamen, sogar das kleine Küchenmädchen, dem Sie an Ihrem ersten Morgen hier in den Weg liefen. Ich möchte ja nur wissen, was Mr. de Winter dachte, als er Sie hier nach Ihrer gesegneten Hochzeitsreise anbrachte, und was er gedacht hat, als er Sie zum erstenmal am Eßtisch sitzen sah.»
    «Hören Sie jetzt auf damit, Mrs. Danvers», sagte ich. «Gehen Sie bitte auf Ihr Zimmer.»
    «Auf mein Zimmer gehen», äffte sie mich nach, «auf mein Zimmer! Die Dame des Hauses hält es für richtiger, mich auf mein Zimmer zu schicken. Und dann, was geschieht dann?
    Dann laufen Sie zu Mr. de Winter und sagen: ‹Mrs. Danvers ist unfreundlich und unhöflich zu mir gewesen.› Sie werden wieder zu ihm laufen wie neulich, als Mr. Jack mich besucht

Weitere Kostenlose Bücher