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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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Blicken. Die Blumen und die Steinplatten waren unsichtbar geworden. Nur der weiße Dunst umgab mich, der nach Tang und Seewasser roch. Das einzig Gegenständliche waren das Fensterbrett unter meinen Händen und Mrs. Danvers’ eiserner Griff um meinen Arm.
    Wenn ich jetzt sprang, würde ich die Steine mir nicht mehr entgegenstürzen sehen, der Nebel würde sie vor mir verbergen. Der Schmerz würde scharf und kurz sein; ich würde mir das Genick brechen, wie sie gesagt hatte. Es würde nicht so lange dauern wie das Ertrinken. Es wäre gleich vorüber. Und Maxim liebte mich ja nicht. Maxim wollte Manderley wieder für sich und Rebecca haben.
    «Haben Sie keine Angst», hörte ich wieder Mrs. Danvers. «Springen Sie.»
    Ich schloß die Augen. Mir war schwindlig geworden vom Hinunterstarren, und meine Finger, mit denen ich mich anklammerte, taten weh. Der Nebel stieg mir in die Nase und drang mir in den Mund, erstickend wie ein Wolltuch, wie betäubendes Gas. Ich fing an zu vergessen, daß ich unglücklich war, daß ich Maxim liebte, ich vergaß Rebecca. Bald würde ich nie wieder an Rebecca denken müssen …
    Als ich schon mit einem Seufzer meine Finger lösen wollte, zerbarst plötzlich die weiße Nebelwand und das Schweigen, das sie einhüllte, und das Fenster klirrte unter dem Schock einer Explosion. Ich öffnete die Augen und starrte Mrs. Danvers an. Dem Knall folgte ein weiterer, dann ein dritter, ein vierter. Das Echo erschütterte die Luft, und unsichtbare Vogelschwärme schwangen sich vom Wald auf und umkreisten schreiend das Haus.
    «Was war das?» fragte ich ganz benommen. «Was ist geschehen?»
    Mrs. Danvers gab meinen Arm frei. Sie blickte starr in den Nebel hinaus. «Die Signalraketen!
    Es muß ein Schiff in der Bucht gestrandet sein.»
    Schweigend lauschten wir und blickten in die wirbeln-den weißen Schwaden. Und dann hörten wir auf der Terrasse unten eilige Schritte.

19
    Es war Maxim; ich konnte ihn nicht sehen, aber ich hörte seine Stimme. Er rief im Laufen nach Frith. Ich hörte Frith aus der Halle antworten und auf die Terrasse hinauskommen. Ihre Gestalten tauchten schattengleich aus dem Nebel auf.
    «Es ist aufgelaufen», sagte Maxim. «Ich beobachtete es schon von der Landzunge aus und sah es geradewegs in die Bucht und auf das Riff zusteuern. Während der Flut werden sie niemals loskommen. Sie müssen die Bucht mit dem Hafen von Kerrith verwechselt haben.
    Der Nebel steht da draußen wie eine Wand. Sagen Sie Bescheid, daß etwas Warmes zu essen und zu trinken bereitgehalten wird, falls die Leute etwas haben wollen. Und rufen Sie Mr.
    Crawley an und sagen Sie ihm, was geschehen ist. Ich gehe zurück zur Bucht. Bringen Sie mir ein paar Zigaretten.»
    Mrs. Danvers zog sich vom Fenster zurück. Ihr Gesicht war wieder die ausdruckslose weiße Maske, die ich so gut kannte.
    «Wir gehen jetzt wohl besser hinunter», sagte sie. «Frith wird mich suchen. Vielleicht bringt Mr. de Winter die Leute von dem Schiff ins Haus, wie er andeutete. Vorsicht, Ihre Finger, ich will das Fenster schließen.» Noch immer etwas benommen und taumelig trat ich zurück; ich konnte weder aus ihr noch aus mir selbst klug werden. Ich sah ihr zu, wie sie die Läden festmachte, das Fenster schloß und die Vorhänge zuzog.
    «Ein Glück, daß das Meer nicht stürmisch ist», meinte sie. «Sonst wären sie wohl kaum mit dem Leben davongekommen. Aber bei so ruhigem Wetter besteht keine Gefahr. Das Schiff wird allerdings verloren sein, wenn es auf das Riff aufgelaufen ist, wie Mr. de Winter sagte.»
    Sie sah sich im Zimmer um, um sich zu vergewissern, daß alles ordentlich an seinem Platz stand. Sie strich die Decke auf dem breiten Bett glatt. Dann ging sie zur Tür und hielt sie für mich auf. «Ich werde heute lieber ein kaltes Essen anrichten lassen», sagte sie. «Dann spielt es keine Rolle, wann Sie zu Tisch gehen. Mr. de Winter wird nicht um eins schon wieder zum Essen zurückeilen wollen, wenn er dort unten in der Bucht beschäftigt ist.»
    Ich versuchte ihre Worte zu erfassen und ging dann zur Tür. Ich fühlte mich so steif, als ob meine Glieder aus Holz wären.
    «Wenn Sie Mr. de Winter sehen, Madam, sagen Sie ihm doch bitte, daß er die Leute von dem Schiff ruhig herschicken soll. Ich werde dafür sorgen, daß sie jederzeit etwas Warmes zu essen bekommen.»
    «Ja», sagte ich. «Ja, Mrs. Danvers.»
    Sie wandte mir den Rücken und ging durch den Korridor zur Treppe, die hinunter zu den Küchenräumen führte: ei-ne

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