Rebecca
ganz einfach so auf die Nerven gegangen, daß er fast wahnsinnig geworden wäre – das ist alles. Das hat er mir ziemlich unverblümt gesagt, bevor Sie hereinkamen. Er hält es dort allein einfach nicht länger aus …»
7
Wir kamen in den ersten Maitagen in Manderley an, wie Maxim sagte, zugleich mit den Schwalben und den Glockenblumen. Es sei die schönste Zeit, bevor die volle Sommerhitze einsetze, und im Tal würden die Azaleen ihren verschwenderischen Duft ausströmen und die blutroten Rhododendren blühen. Wir verließen London im Auto früh am Morgen bei strömendem Regen und langten gegen fünf Uhr zur Teezeit in Manderley an. Ich sehe mich noch deutlich: unvorteilhaft angezogen wie gewöhnlich, obwohl ich schon sieben Wochen verheiratet war, in einem gelbbraunen Baumwollkleid, einen kleinen Marderpelzkragen um den Hals, und das Ganze unter einem form-losen Regenmantel versteckt, der viel zu weit war und bis zu den Knöcheln reichte. Dieser Aufzug, dachte ich, war geradezu eine Verbeugung vor dem Wetter, und zudem machte die Länge des Mantels mich größer. Ich hielt ein Paar Handschuhe zusammengeknüllt in der Hand und trug eine große lederne Handtasche.
«Das ist der richtige Londoner Regen», sagte Maxim, als wir abfuhren. «Aber paß nur auf: wenn wir in Manderley ankommen, wird dich die Sonne begrüßen.» Und er behielt recht; die Wolken verließen uns schon in Exeter, sie ballten sich hinter uns zusammen und überließen uns einem leuchtend blauen Himmel und dem glänzend weißen Band der Landstraße vor uns.
Ich freute mich, die Sonne wiederzusehen, denn ich war abergläubisch genug, Regen als ein böses Vorzeichen zu betrachten, und der regengraue Londoner Himmel hatte mich schweigsam gemacht.
«Fühlst du dich jetzt besser?» fragte Maxim, und ich lächelte ihn an und griff nach seiner Hand, während ich bei mir dachte, wie einfach es doch für ihn sei, in sein eigenes Haus heimzukehren, ungezwungen in die Halle gehen zu können, die Post durchzusehen, Tee anrichten zu lassen; und ich fragte mich, ob er wohl meine Unruhe erraten habe und ob seine Frage mir zu verstehen geben sollte, daß er es mir nachempfand. «Jedenfalls dauert es nun nicht mehr lange. Wir werden gleich da sein. Ich nehme an, du wirst eine Tasse Tee auch gut gebrauchen können», sagte er, und dann ließ er meine Hand los, weil wir uns einer Kurve näherten und er umschalten mußte.
Aus seinen Worten entnahm ich, daß er mein Schweigen für Erschöpfung gehalten hatte und daß ihm gar nicht der Gedanke gekommen war, ich könnte diese Ankunft in Manderley ebensosehr fürchten, wie ich sie herbeigesehnt hatte, als sie noch in weiter Ferne lag. Jetzt, wo der Augenblick gekommen war, hätte ich ihn gern noch hinausgezögert, wäre ich gern in einer kleinen Dorfschenke eingekehrt und dort im Gastzimmer am gleichgültigen Kaminfeuer geblieben. Ich wollte weiter über die Landstraßen fahren und weiter die verliebte junge Frau auf der Hochzeitsreise sein – nicht zum erstenmal nach Manderley kommen als die Frau von Maxim de Winter. Wir fuhren durch viele freundliche Dörfer, deren Fenster so einladend blickten. Ei-ne Frau, die einen Säugling auf dem Arm trug, lächelte mir von der Türschwelle zu, und ein Mann klapperte mit einem leeren Eimer über die Straße zum Brunnen.
Ich wünschte, wir hätten zu ihnen gehören dürfen, vielleicht ihre Nachbarn sein, und Maxim könnte sich abends pfeiferauchend über den Gartenzaun lehnen, voller Stolz auf den großen Rosenstock, den er selbst gezogen hatte, während ich in meiner blitzsauberen Küche den Abendbrottisch deckte. Auf dem Büffet müßte ein laut tickender Wecker stehen und dahinter eine Reihe blankgeputzter Teller; und nach dem Essen würde Maxim, die Füße auf dem Kamingitter, seine Zeitung lesen, und ich würde nach dem vollen Stopfkorb greifen. Eine solche Lebensweise wäre doch gewiß geruhsam und friedlich, dachte ich, und auch so viel einfacher, ohne gesellschaftliche Vorschriften beachten zu müssen.
«Nur noch zwei Meilen», sagte Maxim. «Siehst du den Waldsaum über dem Hügel dort aufragen, der sich bis ins Tal hinunterzieht? Und dahinter kann man schon das Meer sehen.
Da liegt Manderley, das ist unser Wald.»
Ich zwang mich zu einem Lächeln, aber antwortete ihm nicht; eine Art Furcht überkam mich, ein Schwächegefühl, das ich nicht unterdrücken konnte. Die freudige Erregung war vergangen, mein glücklicher Stolz verschwunden. Ich war wie ein Kind am
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