Rebecca
Mädchen es in sich haben trotz ihrem sportlichen Getue.
Ich soll also allein nach Paris fahren und Sie zurücklassen, während Ihr Beau die Heiratslizenz besorgt. Ich habe übrigens zur Kenntnis genommen, daß er mich nicht zur Hochzeit eingeladen hat.»
«Ich glaube nicht, daß er überhaupt jemanden dabei haben will, und Sie würden ja auf jeden Fall schon unterwegs sein.»
«Hm, hm», machte sie. Sie nahm ihre Puderdose heraus und begann sich die Nase zu pudern.
«Ich nehme an, Sie wissen, was Sie wollen», fuhr sie fort; «schließlich ist das Ganze doch eine sehr überstürzte Angelegenheit, das müssen Sie zugeben. Eine Bekanntschaft von wenigen Wochen. Ich glaube nicht, daß er sehr leichtzunehmen ist, und Sie werden sich ihm weitgehendst anpassen müssen. Sie haben bisher ein sehr behütetes Leben geführt, und Sie können nicht behaupten, daß ich Ihnen zu viel zugemutet habe. Sie werden allerhand Pflichten haben als Herrin von Manderley. Um es frei heraus zu sagen, meine Liebe, ich zweifle sehr, daß Sie dieser Aufgabe gewachsen sind.»
Ihre Worte klangen wie das Echo meiner eigenen, die ich vor einer Stunde geäußert hatte.
«Sie haben einfach nicht die Erfahrung», sprach sie weiter. «Sie kennen dieses Milieu ja gar nicht. Bei meinen Bridgetees haben Sie auch nicht zwei Sätze hintereinander herausgebracht; wie wollen Sie da eine Unterhaltung mit seinen Freunden führen können? Die Gesellschaften auf Manderley waren berühmt, als seine Frau noch lebte; aber das hat er Ihnen natürlich alles schon erzählt, nicht wahr?»
Ich zögerte, und Gott sei Dank fuhr sie fort, ohne meine Antwort abzuwarten.
«Natürlich möchte man Ihnen wünschen, daß Sie glücklich werden, und ich gestehe ein, er ist gewiß eine sehr an-ziehende Persönlichkeit, aber – nun ja, ich bedaure Sie, und persönlich finde ich nun mal, daß Sie einen großen Fehler begehen – einen Fehler, den Sie noch bitter bereuen werden!»
Sie legte die Puderdose in die Handtasche zurück und sah sich nach mir um. Vielleicht meinte sie es wirklich ehrlich, aber ich wollte nichts von dieser Art Aufrichtigkeit wissen. Ich sagte nichts. Vielleicht sah ich verletzt aus, denn sie zuckte wieder die Achseln, trat vor den Spiegel und rückte ihren Reisehut zurecht. Ich war froh, daß sie wegfuhr, froh, daß ich sie nicht wiedersehen würde.
Ich bedauerte jede Stunde, die ich mit ihr verbracht hatte, in ihren Diensten, von ihrem Geld lebend, immer in ihrem Schlepptau, stumm und unscheinbar wie ein Schatten. Natürlich war ich unerfahren, natürlich war ich dumm und ungeschickt, schüchtern und jung. Das wußte ich nur zu genau. Sie brauchte es mir nicht erst zu sagen. Ich hatte den Eindruck, daß sie absichtlich so zu mir gesprochen hatte, daß sie sich aus irgendeinem typisch weiblichen Grund über diese Heirat ärgerte; die gesellschaftliche Rangordnung, so, wie sie sie verstand, war durcheinandergeraten.
Nun, es sollte mir gleich sein. Ich würde sie und ihre spitzen Worte vergessen. Ein neues Selbstvertrauen war in mir erwacht, als ich vorhin die Seite zerriß und die Papierfetzen verbrannte. Weder für ihn noch für mich würde die Vergangenheit mehr existieren, wir standen beide vor einem neuen Anfang. Das Vergangene war verweht wie die Aschenreste im Papierkorb. Ich würde Mrs. de Winter werden. Ich würde auf Manderley leben.
Bald würde sie fort sein, allein in ihrem Schlafwagen dahinrattern, und er und ich würden zusammen hier im Hotel im Speisesaal zu Mittag essen und Pläne für die Zukunft schmieden.
Ich stand an der Schwelle zu einem großen Abenteuer. Vielleicht würde er endlich richtig mit mir sprechen, wenn sie erst einmal fort war; wie sehr er mich liebte, wie glücklich er wäre.
Bisher war dafür keine Zeit gewesen, und überhaupt lassen sich solche Dinge nicht so einfach aussprechen; sie müssen warten, bis der richtige Moment gekommen ist. Als ich aufsah, begegnete ich ihrem Blick im Spiegel. Sie beobachtete mich mit einem kleinen, nachsichtigen Lächeln um die Lippen. Ich dachte schon, sie würde sich doch noch großmütig erweisen, mir die Hand geben und mir Glück wünschen, mir Mut zusprechen und mir versichern, daß sich alles bestimmt zum Besten wenden würde. Aber sie lächelte nur weiter und schob eine lose Haarsträhne unter den Hut.
«Sie wissen doch hoffentlich», sagte sie, «warum er Sie heiratet? Sie haben sich doch nicht etwa eingebildet, daß er in Sie verliebt ist? Das große, leere Haus ist ihm
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