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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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ich so in der Halle stand und mir überlegte, was ich bis zum Tee noch anfangen sollte, kam mir plötzlich der Gedanke, daß Mrs. Danvers vielleicht gar nicht die treue Seele war, für die sie immer gehalten wurde, daß sie womöglich schon seit längerer Zeit hinter Maxims Rücken in irgendwelche Heimlichkeiten verwickelt war und ich sie heute, als ich unerwartet früher zurückkam, zu-fällig mit ihrem Komplizen überrascht hatte. Und dieser Favell hatte daraufhin einfach so getan, als sei er ein alter Bekannter von Maxim und früher auf Manderley aus-und eingegangen. Ich fragte mich, was sie wohl gerade im Westflügel zu suchen gehabt hatten, und ich war von einer unbestimmten Unruhe erfüllt. Warum hatten sie die Läden geschlossen, als sie mich unten auf dem Rasen gesehen hatten? Frith und Robert waren nicht da. Die Mädchen waren um diese Tageszeit meist damit beschäftigt, ihre eigenen Zimmer aufzuräumen. Mrs. Danvers konnte also sicher sein, nicht gestört zu werden.
    Vielleicht war dieser Favell ein Dieb und Mrs. Danvers befand sich in seiner Gewalt? Im Westflügel sollten so viele Wertsachen sein.
    Ich hatte plötzlich den wilden Einfall, jetzt gleich in den Westflügel gehen zu müssen, um mich selbst davon zu überzeugen.
    Robert war noch nicht zurückgekehrt. Ich würde also vor dem Tee noch Zeit haben.
    Trotzdem zögerte ich etwas und blickte furchtsam zur Galerie hinauf. Das Haus schien ganz ruhig. Die anderen Dienstboten befanden sich offenbar in ihren Zimmern hinter den Küchenräumen. Jasper schlabberte geräuschvoll das Wasser aus seinem Trinknapf unter der Treppe. Mit wildklopfendem Herzen stieg ich nach oben.

14
    Ich befand mich wieder auf dem Korridor, in den ich mich an jenem ersten Morgen auf Manderley verirrt hatte. Ich war seitdem nicht dort gewesen und hatte auch gar keine Lust verspürt, den Westflügel aufzusuchen. Die Sonne strömte durch das Fenster in der Nische und malte ein goldenes Muster auf das dunkle Holzpaneel.
    Es herrschte eine Totenstille, und ich nahm denselben dumpfigen Geruch einer unbenutzten Wohnung wahr, der mir schon das erste Mal aufgefallen war. Ich wußte nicht, welche Tür ich öffnen sollte. Die Lage der Räume war mir ja nicht bekannt. Dann fiel mir ein, daß Mrs.
    Danvers damals genau hinter mir aus einer Tür getreten war, die, wie ich jetzt nach kurzer Überlegung feststellte, sehr wohl in das Zimmer führen konnte, dessen Fenster auf den Rasen und auf das Meer hinaussahen. Ich drehte am Türknopf und ging hinein. Drinnen war es dunkel, da die Läden geschlossen waren. Ich tastete nach dem Schalter und knipste das Licht an.
    Ich stand in einem kleinen Vorraum, offenbar einem Ankleidezimmer, denn rundherum an den Wänden sah ich lauter große Kleiderschränke. Eine zweite offenstehende Tür führte in das benachbarte große Schlafzimmer. Ich ging hinüber und machte auch dort Licht. Zunächst bekam ich einen Schreck, weil das Zimmer einen ganz bewohnten Eindruck machte.
    Ich hatte erwartet, Stühle und Tische und auch das große Doppelbett an der Wand verhüllt vorzufinden, aber nichts war zugedeckt. Auf dem Frisiertisch lagen sogar Kämme und Bürsten, standen Puderdosen und Parfümflakons. Das Bett war frisch bezogen; ich sah das weiße Leinen des Kopfkissenbezuges aufleuchten und das Laken unter der aufgeschlagenen Daunensteppdecke hervorlugen. Und überall standen Blumen: auf dem Frisiertisch, auf dem Nachttisch und auf dem marmornen Kaminsims. Ein seidener Morgenrock hing ausgebreitet über einem Stuhl, und davor standen ein Paar Pantoffeln. Eine Sekunde lang bildete ich mir in meiner Bestürzung ein, daß in meinem Gehirn irgendeine Veränderung vor sich gegangen wäre, daß ich in die Vergangenheit zurückblickte und das Zimmer vor mir sah, wie es vor ihrem Tode ausgesehen hatte … In der nächsten Minute würde Rebecca selbst ins Zimmer treten, sich vor den Spiegel am Frisiertisch setzen, irgendeine Melodie vor sich hin summen, nach ihrem Kamm greifen und sich das Haar kämmen. Das Ticken der Wanduhr brachte mich wieder in die Wirklichkeit zurück. Die Zeiger standen auf fünf Minuten vor halb fünf.
    Meine Armbanduhr zeigte die gleiche Zeit an. Das Ticken hatte etwas so beruhigend Normales; es erinnerte mich an die Gegenwart und daran, daß der Teetisch auf dem Rasen bald für mich gedeckt würde. Langsam ging ich in die Mitte des Zimmers. Nein, es wurde nicht mehr benutzt. Niemand wohnte mehr darin. Selbst der Blumenduft konnte den muffigen Geruch

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