Rebeccas Traum
neues Leben versuchte – selbst hier konnte sie ihre strenge Erziehung nicht vergessen. »Ich kann nicht.«
»Du kannst nicht?« Stephanos zündete sich sein Zigarillo an. Er fand es befremdlich, dass sie hier standen und über das Miteinanderschlafen redeten, als handle es sich um das Wetter. »Oder willst du nicht?« fragte er dann gedehnt.
Rebecca atmete einmal tief durch. Langsam stellte sie ihr Glas ab. »Ich möchte, aber ich kann nicht.« Sie sah ihn mit großen Augen an. »Ich möchte wirklich sehr gern, aber …«
»Aber?«
»Ich kenne dich kaum.« Rebecca nahm wieder das Glas, weil sie plötzlich nicht mehr wusste, wo sie ihre Hände lassen sollte.
»Nein?«
»Nun, ich kenne deinen Namen, weiß, dass du Olivenhaine besitzt und das Meer liebst. Das ist aber nicht genug.«
»Dann werde ich dir mehr erzählen.«
Rebecca wagte ein Lächeln. »Ich weiß nicht einmal, was ich fragen sollte.«
Stephanos lehnte sich im Sessel zurück. Er fühlte, dass die Spannung ebenso schnell wich, wie sie gekommen war. Es ist wirklich erstaunlich, dachte er verwundert, ein Lächeln von ihr genügt.
»Glaubst du eigentlich an das Schicksal, Rebecca? Daran, dass irgendetwas Unvorhergesehenes, etwas Unerwartetes oder irgendein kleines, unbedeutendes Ereignis dein Leben von Grund auf verändert?«
Rebecca dachte an den Tod ihrer Tante und die Entscheidungen, die sie danach völlig unvorhergesehen getroffen hatte. »Ja. Ja, daran glaube ich.«
»Gut.« Er schaute hinaus aufs Meer und sagte dann wie nebenbei: »Ich hatte beinahe vergessen, dass ich es auch tue – bis ich dich allein am Tisch sitzen sah.«
Es gibt mehrere Wege, jemanden zu verführen, dachte Rebecca. Ein Blick oder Worte konnten genauso verführerisch sein wie Zärtlichkeiten. In diesem Moment verlangte es sie mehr als je zuvor nach ihm – und mehr, als sie es sich hätte vorstellen können.
Um etwas Abstand zu gewinnen, wandte sie sich ab und stellte sich wieder an die Reling.
Er empfand selbst ihr Schweigen erregend. Sie hatte gesagt, sie wüsste zu wenig über ihn. Aber er wusste ja noch viel weniger von ihr. Und es machte ihm nicht das Geringste aus. Vielleicht war es gefährlich, gefährlicher als er dachte, aber auch dies machte ihm nichts aus.
Stephanos sah zu ihr hinüber. So, wie sie jetzt an der Reling stand, mit flatternden Haaren, war es ihm völlig egal, wer sie war und woher sie kam oder was sie getan hatte.
Langsam stand Stephanos auf, ging zu ihr hinüber und stellte sich neben sie. Er schaute ebenfalls aufs Meer hinaus.
»Als ich jung war, noch sehr jung, da gab es einen solchen Moment, der mein Leben verändert hat«, begann er. »Mein Vater liebte das Meer über alles. Die See war sein Leben, und auf dem Meer ist er gestorben.« Stephanos schien mehr zu sich selbst zu sprechen. Rebecca wandte den Kopf und sah ihn an. »Ich war damals zehn oder elf Jahre alt. Vater und ich gingen zusammen am Strand entlang. Er blieb stehen, tauchte die Hand ins Wasser, ballte sie zur Faust und öffnete sie wieder. ›Du kannst es nicht halten‹, sagte er. ›Egal, wie oft du es auch versuchst oder wie sehr du es auch liebst. Es wird dir immer wieder zwischen den Fingern zerrinnen.‹«
»Er hatte Recht damit«, antwortete Rebecca nachdenklich.
»Ja, dann aber nahm er den Sand in die Hand. Er war feucht und klebte an der Haut. ›Aber dies hier‹, sagte er, ›dies kann man festhalten.‹ Wir haben später nie wieder darüber gesprochen. Als dann die Zeit gekommen war, wandte ich der See den Rücken zu und richtete meine Kraft und Aufmerksamkeit auf das Land.«
»Es war richtig, oder?«
»Ja.« Stephanos hob die Hand und spielte mit einer ihrer Haarsträhnen. »Ja, ich habe mich richtig entschieden.« Dann sah er sie an. »Du hast so schöne, ruhige Augen, Rebecca. Haben sie bereits genug gesehen, damit du weißt, was für dich richtig ist?« fragte er.
»Ich glaube, ich habe meine Augen erst sehr spät geöffnet«, erwiderte Rebecca leise. Da war wieder dieses beunruhigende Gefühl, und Rebecca wollte zurückweichen, aber sie war zwischen ihm und der Reling gefangen.
»Du zitterst ja, wenn ich dich anfasse.« Langsam strich er ihr mit den Fingern über den Arm, dann verschränkten sich ihre Hände miteinander. »Weißt du eigentlich, wie erregend das ist?«
Rebecca fühlte plötzlich eine süße Schwäche in den Beinen. »Stephanos, ich meinte es ernst, was ich vorhin gesagt habe …« Er küsste sie hauchzart auf die Stirn. »Ich kann
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