Rebeccas Traum
dem Finger über die Wange. »Ich würde dir nicht empfehlen fortzulaufen, mátia mou. Ich würde dich doch finden.«
Sie war sich dessen nur allzu gut bewusst. Ein Blick in sein Gesicht überzeugte sie. »Dann will ich dir lieber dankbar sein«, lachte sie.
»Das freut mich.« Er war sich klar, dass er Geduld aufbringen musste. Und zwar sehr schnell. »Hast du Lust zu baden? Nicht weit von hier gibt es eine hübsche kleine Bucht. Wir sind schon beinahe dort.«
Das Wasser wird mich ein wenig abkühlen, dachte Rebecca. »Eine tolle Idee!«
Das Wasser war erfrischend kühl und kristallklar. Mit einem Seufzer des Wohlgefühls ließ sich Rebecca hineingleiten. In Philadelphia würde sie jetzt an ihrem Schreibtisch sitzen, den Rechner bedienen, und über ihrer Stuhllehne würde ordentlich ihre Kostümjacke hängen. Wie immer würden die Papierstapel auf ihrem Schreibtisch säuberlich geordnet daliegen.
Die allzeit zuverlässige und korrekte Miss Malone.
Aber stattdessen schwamm sie im kühlen Wasser des Mittelmeeres, und Akten und Papiere waren Welten fort von ihr. Hier, nur einen Meter weit von ihr entfernt, gab es den Mann, der sie alles über ihre Bedürfnisse lehrte, ihre Wünsche und die Verletzlichkeit des Herzens.
Sie bezweifelte, ihm jemals sagen zu können, dass er der einzige Mann war, der sie durch eine kurze Berührung beinahe um den Verstand gebracht hätte. Ein Mann wie er würde natürlich sofort erraten, dass er es mit einer völlig unerfahrenen Frau zu tun hatte.
Aber er wird es nicht herausfinden, dachte sie. Denn wenn er mich in seinen Armen hält, fühle ich mich nicht schwach und unerfahren. Ich finde mich schön, begehrenswert und ein wenig verrucht.
Sie hatte die ganze Zeit Wasser getreten, aber nun tauchte sie mit einem Lachen unter. Sogleich empfand sie ein unglaubliches Gefühl des Freiseins. Ach, wer hätte gedacht, dass ich mich jemals so fühlen würde? ging es ihr durch den Kopf.
»Braucht es immer so wenig, um dich zum Lachen zu bringen?«
Rebecca strich sich die Haare aus dem Gesicht. Stephanos trat neben ihr Wasser. Seine Haut hatte einen Goldschimmer, und das Wasser rann in kleinen Bächen über seine breite Brust. Die Sonnenstrahlen ließen sein feuchtes Haar schimmern, und seine Augen hatten die gleiche Farbe wie das Meer. Es fiel ihr sehr schwer, nicht die Hand auszustrecken und Stephanos zu streicheln.
»Eine abgelegene Bucht, ein wunderschöner Himmel, kristallklares Wasser und ein interessanter Mann – so wenig scheint mir das nicht zu sein.« Sie schaute hinüber zu den Kämmen der Berge. »Ich habe mir eins versprochen – was auch immer geschehen mag, ich werde nichts mehr als sicher annehmen.«
In ihren Worten lag ein trauriger Unterton, der ihn berührte. »War es ein Mann, der dir wehgetan hat, Rebecca?« fragte er sanft nach einem kurzen Moment.
Sie verzog leicht den Mund, aber er konnte nicht ahnen, dass sie im Stillen lächeln musste. Natürlich hatte sie auch Verabredungen mit Männern gehabt. Sie waren zumeist nett und freundlich verlaufen. Ein- oder zweimal hatte sie auch mehr als freundschaftliches Interesse für einen von ihnen verspürt, aber sie war zu schüchtern gewesen, um mehr daraus werden zu lassen.
Mit Stephanos war es allerdings völlig anders. Weil ich ihn liebe, dachte sie glücklich. Sie wusste nicht, warum, und auch nicht, wieso es so schnell gekommen war. Aber sie liebte ihn, wie eine Frau einen Mann nur lieben konnte.
»Nein, es gibt keinen.« Rebecca legte sich auf den Rücken, schloss die Augen und vertraute darauf, dass das salzige Wasser sie tragen würde. »Der Tod meiner Eltern war ein solcher Schlag für mich, dass ich von einem Tag auf den anderen erwachsen wurde, obwohl ich damals noch so jung war.«
Als sie schwieg, forderte Stephanos sie leise auf, weiterzusprechen.
»Meine Tante Jeannie war ein sehr freundlicher und praktischer Mensch, und sie liebte mich. Aber sie hatte vergessen, was es bedeutete, ein junges Mädchen zu sein. Nach ihrem Tod begriff ich plötzlich, dass ich nie jung gewesen war, nie Dummheiten wie andere junge Leute in meinem Alter begangen hatte. Da entschloss ich mich, all dies nachzuholen.«
Sie bot ein schönes Bild. Das schwarze Haar schwamm auf dem Wasser, und ihr nasser, bronzefarbener Körper schimmerte wie mit Diamanten bedeckt im Licht der hellen Sonne. Sie war keine Schönheit, dafür waren ihre Züge nicht ebenmäßig genug. Aber sie war faszinierend in ihrem Aussehen, ihrer Ausstrahlung und
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