Rebeccas Traum
sie auf den Fahrstuhl warteten.
»Ach, ich freue mich aber schon darauf, deine Geschäftsfreunde kennen zu lernen.«
»Geschäftspartner«, berichtigte er sie mit einem seltsamen Lächeln. »Wenn du einmal arm gewesen bist und vorhast, es nie wieder zu sein, dann machst du dir im Geschäftsleben keine Freunde.«
Rebecca runzelte die Stirn. Diese Seite kannte sie gar nicht an ihm. War er hartnäckig im Durchsetzen seiner geschäftlichen Ziele? Ja, dachte sie, das ist er ganz bestimmt mit allem, was ihm gehört.
»Aber Feinde?« fragte sie nun.
»Im Geschäftsleben gelten die gleichen Regeln für alle. Man unterscheidet nicht zwischen Freund und Feind. Mein Vater hat mich mehr als nur das Fischen gelehrt, Rebecca. Er brachte mir auch bei, erfolgreich zu sein, auf ein Ziel zuzugehen und es zu erreichen. Und er lehrte mich, nicht nur zu vertrauen, sondern auch, wie weit dieses Vertrauen gehen darf.«
»Ich bin niemals arm gewesen, aber ich stelle es mir schrecklich vor.«
»Es macht stark.« Der Fahrstuhl war angekommen, und mit einem leisen Zischen öffneten sich automatisch die Türen. »Wir haben eine verschiedene Herkunft, aber glücklicherweise bewegen wir uns nun auf derselben Ebene.«
Wie verschieden wir in Wirklichkeit sind, davon hast du keine Ahnung, dachte Rebecca bedrückt. Er hatte von Vertrauen gesprochen. Wie gern hätte sie ihm jetzt die Wahrheit gestanden. Gestanden, dass sie keine eleganten Partys kannte und nicht das Leben des Jetset führte, wie er von ihr annehmen musste. Ich bin eine Betrügerin, dachte sie niedergeschlagen, und wenn er es herausfindet, dann wird er mich auslachen und mich verlassen. Aber dennoch wollte sie, dass er alles erfuhr.
»Stephanos, ich möchte dir …«, begann sie fast verzweifelt, als sie den Fahrstuhl wieder verließen.
»Hallo, Stephanos, wie ich sehe, hast du wieder eine der schönsten Frauen an deiner Seite«, unterbrach sie da eine leutselige Männerstimme.
»Hallo, Dimitri.«
Sie blieben stehen. Rebecca sah einen Mann Ende Vierzig mit klassischen griechischen Zügen. Sein schon ergrautes Haar stand in reizvollem Gegensatz zu seiner gebräunten Haut. Er trug einen beeindruckenden Schnauzbart, und wenn er lächelte, zeigte er ebenmäßige, glänzend weiße Zähne.
»Es war sehr freundlich von dir, uns einzuladen, Stephanos, aber noch viel freundlicher wäre es, mich deiner reizvollen Begleiterin vorzustellen«, sagte er lächelnd.
»Rebecca Malone – Dimitri Petropolis.«
Er hatte einen festen Händedruck. »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Miss Malone«, begrüßte er Rebecca lächelnd. »Halb Athen ist neugierig darauf, die Frau kennen zu lernen, die mit Stephanos gekommen ist.«
»Eine nette und charmante Übertreibung«, meinte Rebecca lächelnd. »Athen scheint mir ziemlich arm dran zu sein, was Neuigkeiten betrifft«, entgegnete sie.
Er sah sie einen Moment erstaunt an, dann lachte er breit. »Ich bin sicher, Sie werden uns mit einer Fülle von Neuigkeiten versorgen.«
Stephanos schob seine Hand unter ihren Ellbogen. Er bedachte Dimitri mit einem ziemlich scharfen Blick. Rebecca verstand. Er mochte mit Dimitri über Ländereien verhandeln, aber was sie betraf, duldete er keine Konkurrenz.
»Du wirst uns einen Moment entschuldigen, Dimitri. Ich möchte Rebecca gern ein Glas Champagner anbieten.«
»Oh, natürlich.« Amüsiert strich sich Dimitri über den Schnauzbart und sah den beiden nach.
Als Stephanos von einer kleinen Abendgesellschaft gesprochen hatte, hätte Rebecca niemals vermutet, er hätte
damit über einhundert Leute gemeint. Nachdenklich nippte sie an ihrem Champagner und hoffte nur, sie würde gerade heute nicht in ihre alte Schüchternheit zurückfallen. Oft genug hatte sie auf Partys kaum den Mund aufbekommen. Aber heute Abend soll mir das nicht passieren, versprach sie sich.
Im Laufe des Abends lernte sie Dutzende von Leuten kennen und versuchte die einzelnen Namen zu behalten, aber es war hoffnungslos. Trotzdem fühlte sie sich unter all den fremden Menschen ausgesprochen wohl. Keiner von ihnen gab ihr auch nur einmal zu verstehen, dass sie nicht zu ihnen gehörte. Sie plauderte selbstbewusst und charmant und wurde offensichtlich bewundert.
Vielleicht gab es die neue Rebecca Malone tatsächlich.
Die allgemeine Unterhaltung drehte sich um Hotels
und Ferienanlagen. Rebecca fand es seltsam, dass sich so
viele Menschen dieser Branche heute Abend hier befanden.
Von Olivenfarmern hatte sie eigentlich überhaupt nichts
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