Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
sie laut und staunte darüber, was es für ein angenehmes Gefühl war, so in aller Heimlichkeit in einer Kirche zu fluchen.
Das brauchte ja nun wirklich nichts zu bedeuten zu haben. Dass jemand eingeatmet hatte. Natürlich hatten sie auch Dreck am Stecken. Welche leitenden Personen einer größeren Organisation haben das schließlich nicht! Bei der Polizei war es jedenfalls so. Und bei dieser Bande hier sicher auch.
»Aber das macht sie noch lange nicht zu Mördern«, führte Anna-Maria ihre Diskussion mit sich selbst fort und betätigte die Spülung.
Aber noch andere Dinge waren ihr aufgefallen. Warum hatte zum Beispiel Vesa Larsson geantwortet, Viktor Strandgård habe keine Sorgen gehabt, wenn doch Thomas Söderberg als dessen »geistlicher Berater« fungiert hatte und ihn deshalb am besten gekannt haben musste?
Als Sven-Erik und Anna-Maria die Kirche verließen und zum Parkplatz hinuntergingen, kam die Frau, die staubgesaugt hatte, hinter ihnen hergelaufen. Sie trug nur dicke Socken und Holzschuhe an den Füßen und rutschte mehr oder weniger hinter ihnen den Hang hinunter.
»Ich habe Ihre Frage gehört, ob er Feinde hatte«, sagte sie atemlos.
»Ja?«, fragte Sven-Erik.
»Das hatte er«, sagte sie und umklammerte Sven-Eriks Arm.
»Und jetzt, wo er tot ist, wird der Feind noch stärker werden. Ich spüre ja selbst, wie ich angegriffen werde.«
Sie ließ Sven-Erik los und schlang sich die Arme um den Leib, in dem vergeblichen Versuch, sich vor der Kälte zu schützen. Sie trug keinen Mantel. Sie ging ein wenig in die Knie, um am Hang nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Sowie sie ihr Gewicht auch nur ein wenig nach hinten verlagerte, rutschten ihre Holzschuhe wieder los.
»Angegriffen?«, fragte Anna-Maria.
»Von Dämonen«, sagte die Frau. »Sie wollen mich wieder zum Rauchen bringen. Ich war früher von Tabaksdämonen besessen, aber Viktor Strandgård hat mich durch Handauflegen von ihnen befreit.«
Anna-Maria musterte die Frau resigniert. Auf Irre hatte sie nun wirklich keine Lust.
»Das werden wir uns merken«, sagte sie kurz und ging auf das Auto zu.
Sven-Erik blieb stehen und zog ein Notizbuch aus seiner Daunenjacke.
»Er hat Viktor umgebracht«, sagte die Frau.
»Wer denn?«, fragte Sven-Erik.
»Der Dämonenfürst«, flüsterte sie. »Satan. Er versucht, sich einzudrängen.«
Sven-Erik steckte den Notizblock wieder ein und nahm die eiskalten Hände der Frau in seine.
»Danke«, sagte er. »Und jetzt gehen Sie lieber wieder hinein, damit Sie nicht erfrieren.«
»Ich wollte Ihnen das nur sagen«, rief die Frau hinter ihnen her.
In der Kirche waren die Pastoren in eine laute Diskussion vertieft.
»So geht das einfach nicht«, schrie Gunnar Isaksson erbost und lief hinter Thomas Söderberg her, als der um den schwarzen Blutfleck auf dem Boden herumging und die Stühle so verschob, dass der dunkle Abdruck des toten Viktor Strandgård sozusagen mitten in einer Art Zirkusmanege landete.
»Doch, das geht«, sagte Thomas Söderberg ruhig, drehte sich zu der eleganten Frau um und fügte hinzu:
»Nimm den Läufer aus dem Mittelgang weg. Und die Blutflecken können bleiben. Kauf drei Rosen und leg sie auf den Boden. Wir werden das Kircheninnere ganz neu arrangieren. Ich werde meine Predigt neben der Stelle halten, an der er gestorben ist. Und die Stühle sollen im Kreis um diese Stelle herumstehen.«
»Dann hast du auf allen Seiten Zuhörer«, dröhnte Gunnar Isaksson. »Sollen die Leute denn deinen Rücken anstarren?«
Thomas Söderberg trat vor den beleibten und kleinwüchsigen Mann und legte ihm die Hände auf die Schultern.
Du kleiner Arsch, dachte er. Du hast einfach nicht genug rednerisches Talent, um vor einer Arena zu sprechen. Vor einem Schauplatz. Einem Markt. Du musst alle gleichzeitig vor dir sehen und dich im Notfall an einer Kanzel festhalten können. Aber ich kann nicht zulassen, dass deine Unzulänglichkeit mir im Weg steht.
»Weißt du noch, was wir abgemacht haben, Bruder?«, sagte Thomas Söderberg zu Gunnar Isaksson. »Wir müssen jetzt zusammenhalten. Die Leute müssen weinen, beten, zu Gott rufen dürfen, und wir – Gott – werden heute Abend triumphieren. Sag deiner Frau, sie soll eine Blume mitbringen, für die Stelle, wo sein Leichnam gelegen hat.«
Es wird eine unbeschreibliche Stimmung herrschen, dachte Thomas Söderberg.
Er beschloss, noch andere Gemeindemitglieder aufzufordern, Blumen mitzubringen und sie auf den Boden zu legen. Es sollte aussehen wie
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