Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
Sannas Stiefel dann doch. Rebecka öffnet die Tür und holt Atem, damit die Luft für alle Erklärungen und Entschuldigungen reicht, die ihr durch den Kopf wirbeln.
Sanna sitzt im Dunkeln auf dem Boden. Rebecka stolpert fast über sie, und Sanna hat die Knie bis ans Kinn hochgezogen und die Arme um die Beine geschlungen. Sie wiegt sich hin und her. Wie um sich zu trösten. Oder als könne der Rhythmus dieses Wiegens die bösen Gedanken von ihr abhalten. Rebecka braucht eine Weile, um zu ihr durchzudringen. Sie zum Reden zu bringen. Und mit den Wörtern kommen dann auch die Tränen.
» Meine Eltern waren hier « , schluchzt Sanna. » Sie sind einfach gekommen und haben Sara geholt. Ich habe gesagt, dass wir auf ein Fest eingeladen sind und für dieses Wochenende ganz viel vorhaben, aber sie wollten nicht auf mich hören. Sie haben sie einfach mitgenommen. «
Plötzlich wird sie wütend und hämmert mit den Fäusten gegen die Wand.
» Was ich wollte, spielte überhaupt keine Rolle « , schreit sie.
» Ich kann sagen, was ich will. Ich gehöre ihnen. Und mein Kind gehört ihnen. Genau wie früher meine Hunde. Laika, die Papa mir einfach weggenommen hat. Sie haben solche Angst davor, miteinander allein zu sein, dass sie einfach … «
Sie verstummt, und Zorn und Weinen machen sich in einem langen, kehligen Heulen Luft. Ihre Hände sinken kraftlos zu Boden.
» … die haben sie einfach mitgenommen « , jammert sie. » Wir wollten doch ein Pfefferkuchenhaus backen, du und ich und Sara. «
» Ganz ruhig « , sagt Rebecka und streicht Sanna die Haare aus dem Gesicht. » Ich bringe das in Ordnung. Das versprech ich dir. «
Sie wischt Sanna mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht.
» Was bin ich bloß für eine Mutter? « , flüstert Sanna. » Die nicht einmal ihr eigenes Kind verteidigen kann! «
» Du bist eine gute Mutter « , tröstet Rebecka. » Deine Eltern verhalten sich falsch, hörst du? Nicht du! «
» Ich will nicht so leben. Er kommt einfach mit seinem Extraschlüssel herein und macht, was er will. Was hätte ich denn tun sollen? Ich wollte ja auch nicht losschreien und an Sara zerren! Das hätte ihr schreckliche Angst gemacht. Meinem kleinen Mädchen! «
Vor Rebeckas innerem Auge nimmt das Bild von Olof Strandgård Form an. Mit seiner tiefen, beruhigenden Stimme. Er ist nicht an Widerspruch gewöhnt. Sein ewiges Lächeln über dem steifen Kragen. Seine Pappfigur von Gattin.
Ich bring ihn um, denkt sie. Ich schlag ihn eigenhändig tot.
» Komm « , sagt sie zu Sanna, mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet.
Und Sanna zieht sich an und folgt ihr wie ein gehorsames Kind. Sie fährt das Auto dahin, wohin Rebecka fahren will.
Kristina Strandgård öffnet die Tür.
» Wir wollen Sara abholen « , sagt Rebecka. » Wir sind zu einem Kinderfest eingeladen und kommen schon zwanzig Minuten zu spät. «
Kristinas Augen füllen sich mit Angst. Sie schaut sich über die Schulter um, lässt die beiden aber nicht eintreten. Rebecka kann hören, dass Strandgårds Gäste haben.
» Aber wir hatten doch abgemacht, dass Sara das Wochenende bei uns verbringt « , sagt Kristina und versucht, Sannas Blick einzufangen.
Sanna starrt verstockt den Boden an.
» Wenn ich das richtig verstanden habe, dann habt ihr überhaupt nichts abgemacht « , sagt Rebecka hart.
» Wartet einen Moment « , sagt Kristina und beißt sich nervös in die Lippe.
Sie verschwindet im Wohnzimmer, und bald darauf tritt Olof Strandgård in die Türöffnung. Er lächelt nicht. Seine Blicke durchbohren zuerst Rebecka. Dann wendet er sich an seine Tochter.
» Was sind das für Dummheiten « , knurrt er. » Ich dachte, wir hätten eine Abmachung getroffen, Sanna. Es ist nicht gut für Sara, hin und her gezerrt zu werden. Es enttäuscht mich wirklich sehr, dass du sie immer wieder für deine Launen bezahlen lässt. «
Sanna zuckt mit den Schultern, starrt aber noch immer den Boden an. Der Schnee fällt auf ihre Haare und legt sich wie ein Helm aus Eis um ihren Kopf.
» Hast du vor zu antworten, wenn du angesprochen wirst, oder kannst du mir nicht einmal so viel Respekt erweisen? « , fragt Olof mit beherrschter Stimme.
Er will keine Szene machen, solange sie Gäste haben, denkt Rebecka.
Ihr Herz hämmert, aber sie tritt noch einen Schritt vor. Ihre Stimme bebt, als sie sie sich jetzt an Olof wendet.
» Wir sind nicht zum Diskutieren gekommen « , sagt sie. » Jetzt holst du Sara, sonst fahre ich mit deiner Tochter zur
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