Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
nicht dagegen. Was Rebecka da im Arm hält, ist ein kleines Kind. Durchaus kein Fast-Teenager. Sondern einfach nur ein kleines Mädchen. Rebecka bettet sie auf das Küchensofa und legt sich dann neben sie. Sie legt die Arme um Sara, die sich krümmt, wie vor Schmerzen, weil die Tränen nicht hinauskönnen. Am Ende schlafen sie ein.
Gegen fünf Uhr wird Rebecka von Lovas leisen Schritten geweckt. Lova kriecht hinter Rebeckas Rücken, schmiegt sich an sie, schiebt verstohlen ihre Hand unter Rebeckas Hemd und schläft ein.
Unter den vielen Decken ist es heiß wie in einem Ofen, aber Rebecka bleibt bewegungslos liegen.
Donnerstag, 20. Februar
UM HALB SECHS UHR morgens beschloss Kater Manne, Sven-Erik Stålnacke zu wecken. Er wanderte auf Sven-Eriks schlafendem Körper herum und stieß ab und zu ein klagendes Miau aus. Als das nichts half, lief er zu Sven-Eriks Gesicht und legte ihm vorsichtig die Pfoten auf die Wange. Aber Sven-Erik schlief tief. Manne schob die Pfote zu seinem Haaransatz hoch und fuhr die Krallen gerade so weit aus, dass sie sich ein wenig in die Haut bohrten und er sein Herrchen am Skalp ziehen konnte. Sven-Erik schlug sofort die Augen auf und zog sich die Katzenkrallen aus dem Kopf. Liebevoll streichelte er Mannes getigerten Rücken.
»Na, du Katzenarsch«, sagte er freundlich. »Zeit zum Aufstehen, meinst du?«
Manne jammerte vorwurfsvoll, sprang aus dem Bett und verschwand durch die Schlafzimmertür. Sven-Erik hörte, dass er zur Haustür lief und dort erneut losjammerte.
»Ich komme, ich komme.«
Er hatte Manne von seiner Tochter übernommen, als die und ihr Freund nach Luleå gezogen waren. »Er ist doch an seine Freiheit gewöhnt«, hatte sie gesagt. »Du kannst dir ja denken, wie er in einer Wohnung mitten in der Stadt leiden würde. Er ist wie du, Papa. Braucht jede Menge Wald um sich herum, um leben zu können.«
Sven-Erik stand auf und öffnete dem Kater die Haustür. Aber Manne hielt nur die Nase ins Schneegestöber, dann machte er kehrt und lief wieder in die Diele. Kaum hatte Sven-Erik die Tür geschlossen, da stieß der Kater abermals einen Klageruf aus.
»Aber was soll ich denn machen?«, fragte Sven-Erik. »Ich kann doch an diesem verdammten Schnee nichts ändern. Entweder gehst du raus oder du bleibst hier und hältst die Klappe.«
Er ging in die Küche und holte eine Dose Katzenfutter hervor. Der Kater schrie auffordernd und drückte sich an Sven-Eriks Beine, bis die Mahlzeit endlich im Napf lag. Danach gab Sven-Erik Kaffee in die Kaffeemaschine. Als Anna-Maria Mella anrief, hatte er gerade in ein Butterbrot gebissen.
»Hör mal«, sagte sie energisch. »Ich habe gestern Morgen mit Sanna Strandgård gesprochen, und zwar darüber, dass der Mord wie ein Ritualmord aussieht, und dann haben wir uns noch über die Stellen in der Bibel unterhalten, wo es um abgehackte Hände und ausgestochene Augen geht.«
Sven-Erik schmunzelte, und Anna-Maria redete weiter.
»Sanna hat mir aus Markus 9:43 vorgelesen: Wenn dich deine Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer. Und wenn dich dein Fuß zum Bösen verführt, dann hau ihn ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden. Und wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus; es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.«
»Ach was«, sagte Sven-Erik und kam sich ziemlich begriffsstutzig vor.
»Aber den Anfang dieser Stelle hat sie überschlagen«, sagte Anna-Maria eifrig. »Bei Markus 9:42 steht nämlich: Wer eins von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.«
Sven-Erik klemmte den Hörer zwischen Schulter und Ohr und hob Manne hoch, der um seine Beine gestrichen war.
»Ähnliche Stellen gibt es auch bei Lukas und Matthäus«, sagte Anna-Maria. »Bei Matthäus steht, dass die Engel der Kinder im Himmel immer Gottes Antlitz sehen. Und als ich in meiner Konfirmationsbibel nachgesehen habe, stand da als Fußnote, dass das bedeutet, dass Kinder unter Gottes besonderem Schutz stehen. Den damaligen Vorstellungen zufolge hat jeder Mensch einen Schutzengel, der ihn vor Gott
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