Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
Wollsocken steckten.
Sie bleibt ihrem Stil treu, dachte Rebecka. Wenn eine hier nicht dem Erfolgskonzept erliegt und auf hochhackige Schuhe umsteigt, dann ist das Magdalena. Wenn sie im 19. Jahrhundert geboren worden wäre, dann würde sie ihre gestärkte Schwesterntracht anlegen und in einem kleinen Boot die Flüsse und die gottverlassenen Städte bereisen, mit der Bullenspritze in der Tasche.
»Ich möchte mit Maja reden«, sagte Rebecka.
»Ich glaube nicht, dass ihr etwas zu besprechen habt«, sagte Magdalena und hielt die Türklinke mit der einen Hand fest, während sie die andere gegen den Türrahmen stemmte, so dass Rebecka nicht an ihr vorbei konnte.
Rebecka hob die Stimme, um in der Wohnung gehört zu werden.
»Sag Maja, dass ich mit ihr über VictoryPrint reden will. Ich möchte ihr die Chance geben, mich zu überreden, nicht zur Polizei zu gehen.«
»Jetzt mache ich die Tür zu«, sagte Magdalena wütend.
Rebecka presste die Hand gegen den Türrahmen.
»Dann brichst du mir die Finger«, sagte sie so laut, dass es zwischen den Steinwänden des Treppenhauses widerhallte.
»Na los, Magdalena. Frag Maja, ob sie nicht mit mir sprechen will. Sag, dass es um ihren Anteil an der Firma geht.«
»Ich mach jetzt zu«, drohte Magdalena und öffnete die Tür ein wenig weiter, wie um sie dann mit Wucht zuknallen zu können. »Wenn du deine Hand nicht zurückziehst, hast du dir die Folgen selber zuzuschreiben.«
Das tust du nicht, dachte Rebecka. Du bist doch Krankenschwester.
Rebecka nimmt Platz und blättert in einer Illustrierten. Die stammt aus dem vergangenen Jahr. Aber das macht nichts. Sie liest ja doch nicht. Nach einer Weile kommt die Krankenschwester, die sie hereingeführt hat, zurück und schließt die Tür hinter sich. Die Schwester heißt Rosita.
» Du bist schwanger, Rebecka « , sagt Rosita. » Und wenn du eine Abtreibung vornehmen lassen willst, dann müssen wir wohl einen Termin für eine Ausschabung machen. «
Ausschabung. Sie werden Johanna ausschaben.
Als Rebecka das Krankenhaus verlassen will, passiert es. Ehe sie die Rezeption erreicht hat, begegnet ihr Magdalena. Magdalena bleibt auf dem Gang stehen und begrüßt sie. Rebecka bleibt stehen und erwidert den Gruß. Magdalena fragt, ob Rebecka am Dienstag zur Chorprobe kommen wird, und Rebecka windet sich und bringt Entschuldigungen vor. Magdalena fragt nicht, was Rebecka im Krankenhaus zu suchen hat. Aber Rebecka begreift, dass Magdalena alles verstanden hat. Alles, worüber man nicht spricht. Auf irgendeine Weise wird man immer entlarvt.
»Lass sie rein. Die Nachbarn wundern sich sicher schon, was hier los ist.«
Maja tauchte hinter Magdalena auf. Die vergangenen Jahre hatten ihr zwei harte Falten an den Mundwinkeln verpasst. Die Falten vertieften sich, als sie Rebecka ansah.
»Du brauchst nicht abzulegen«, sagte Maja. »Du bleibst ja nicht lange.«
Sie setzten sich in die Küche, die geräumig war und neue weiße Schränke und einen neuen Kochbereich aufwies. Rebecka überlegte, ob die Kinder wohl in der Schule waren. Rahel musste jetzt um die dreizehn sein und Anna vielleicht zehn. Auch hier war die Zeit vergangen.
»Soll ich Teewasser aufsetzen?«, fragte Magdalena.
»Nein, danke«, antwortete Maja.
Magdalena ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken. Ihre Hände flogen zur Tischdecke hoch und wischten nicht vorhandene Krümel weg.
Du Arme, dachte Rebecka und sah Magdalena an. Du solltest dir ein eigenes Leben zulegen, statt als Zubehör dieser Familie hier zu dienen.
Maja blickte Rebecka abweisend an.
»Was willst du von mir?«, fragte sie.
»Ich will mich nach Viktor erkundigen«, sagte Rebecka.
»Er …«
»Eben hast du uns vor den Nachbarn in Verlegenheit gestürzt, weil du wegen VictoryPrint haltlose Unterstellungen herumgebrüllt hast. Was hast du also dazu zu sagen?«
Rebecka holte Luft.
»Ich werde dir sagen, was ich zu wissen glaube. Und dann kannst du mir sagen, ob ich Recht habe.«
Maja stieß schnaubend Luft aus.
»Laut den Steuerbescheiden, die ich eingesehen habe, hat VictoryPrint Mehrwertsteuer vom Staat zurückerstattet bekommen«, sagte Rebecka. »Und das nicht zu knapp. Das weist auf große Investitionen in der Firma hin.«
»Das ist ja wohl nicht verboten«, fauchte Maja.
Rebecka musterte die beiden Schwestern mit eiskaltem Blick.
»Die Gemeinde Kraftquelle hat sich beim Finanzamt als gemeinnützige Organisation ausgegeben, die von Einkommenssteuer und Mehrwertsteuer befreit wird. Was
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