Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
Kofferraum hebt, die Kehle zu. Zeigt ihm so viel Unterwerfung, wie das nur möglich ist, solange das Klebeband so fest um ihre Schnauze und ihre Pfoten gezurrt ist. Vergeblich legt sie ihre Kehle bloß und klemmt den Schwanz zwischen die Hinterbeine. Denn hier gibt es keine Gnade.
PASTOR VESA LARSSONS neugebautes Heim im Bauhausstil lag hinter der Volkshochschule. Rebecka stellte den Wagen auf der Straße ab und schaute zu dem beeindruckenden Bauwerk hoch. Die weißen geometrischen Flächen verschmolzen mit der weißen Landschaft der Umgebung. Im Schneegestöber hätte sie mit Leichtigkeit vorbeifahren können, ohne zu sehen, dass dort ein Haus stand, wenn nicht die Übergänge zwischen den einzelnen Teilen des Hauses gewesen wären, die strahlend in klarem Rot, Gelb und Blau leuchteten. Dass der Architekt bei der Arbeit an den weißen Berg und die samischen Farben gedacht hatte, war nicht zu übersehen.
Vesa Larssons Frau Astrid machte ihr auf. Hinter ihr stand ein kleiner Shetland-Hirtenhund und bellte Rebecka wütend an. Astrid kniff die Augen zusammen und zog angeekelt die Mundwinkel nach unten, als sie sah, wer da vor ihr stand.
»Was willst du?«, fragte sie.
Seit ihrer letzten Begegnung hatte Astrid sicher fünfzehn Kilo zugenommen. Ihre Haare waren mit einem Gummiband achtlos hochgebunden, und sie trug eine Trainingshose und ein verwaschenes Sweatshirt. In Sekundenschnelle hatte sie Rebeckas langen kamelbraunen Mantel, den weichen Schal von Max Mara und den neuen Audi unten auf der Straße registriert. Ein Hauch von Unsicherheit trübte für einen Moment ihren Blick.
Ich hab’s ja gewusst, dachte Rebecka gehässig. Dass sie gleich nach dem ersten Kind nichts mehr im Griff haben würde.
Damals war Astrid ein wenig mollig gewesen, aber trotzdem reizend. Wie ein knuffeliges Lesezeichenengelchen auf einer Wolke. Und Vesa Larsson war der unverheiratete Pastor gewesen, um den die niedlichsten heiratslustigen Pfingstkirchlerinnen gewetteifert hatten.
Es ist eine Befreiung, nicht mehr alle lieben zu müssen, dachte Rebecka. Ich habe sie eigentlich noch nie ausstehen können.
»Ich muss mit Vesa sprechen«, sagte Rebecka und ging ins Haus, noch ehe Astrid ein Wort sagen konnte.
Der Hund wich feige zurück, bellte jetzt aber so energisch, dass er davon ganz heiser wurde. Es klang, als habe er Keuchhusten.
Es gab keine Diele und keinen Windfang. Das ganze Untergeschoss war eine einzige offene Fläche, und Rebecka konnte von der Türöffnung aus Küche, Essecke, die Sitzgruppe an dem großen offenen Kamin und die beeindruckenden Panoramafenster sehen, die ins Schneegestöber schauten. Bei klarem Wetter hätte sie Vittangivaara, Luossavaara und die Kristallkirche sehen können.
»Ist er zu Hause?«, fragte Rebecka und versuchte, den Hund zu übertönen, ohne dabei zu schreien.
Astrid schnaubte zur Antwort.
»Ja, das ist er, aber sei jetzt still!«
Das Letzte war an den wütend blaffenden Hund gerichtet. Sie wühlte in ihrer Tasche, zog eine Handvoll rotbrauner Hundekekse hervor und ließ sie auf den Boden fallen. Der Hund verstummte und machte sich über die Leckerbissen her.
Rebecka hängte ihren Mantel an einen Haken und steckte Mütze und Handschuhe in die Tasche. Wenn sie sie wieder hervorzog, würden sie sicher durchgeweicht sein, aber das half jetzt nichts. Astrid öffnete den Mund, wie um zu protestieren, machte ihn dann aber wieder zu.
»Ich weiß nicht, ob er mit dir reden will«, sagte sie übellaunig. »Er hat die Grippe.«
»Ich gehe aber erst wieder, wenn ich mit ihm gesprochen habe«, sagte Rebecka freundlich. »Es ist wichtig.«
Der Hund, der alle Leckerbissen verzehrt hatte, wandte sich jetzt wieder seinem Frauchen zu, rieb sich an ihren Beinen und bellte abermals verärgert los.
»Hör jetzt auf, Balu«, mahnte Astrid müde. »Ich bin doch keine Hündin.«
Sie versuchte, den Hund wegzuschieben, aber der umklammerte ihre Beine mit seinen Vorderpfoten.
Meine Güte, was für ein Haustyrann, dachte Rebecka.
»Das war durchaus mein Ernst«, sagte Rebecka. »Ich übernachte auf dem Sofa. Du musst die Polizei holen, wenn du mich loswerden willst.«
Astrid gab sich geschlagen. Der Hund und Rebecka – das war einfach zu viel für sie.
»Er ist im Atelier«, sagte sie. »Die Treppe hoch und dann die erste Tür links.«
Rebecka brachte die Treppe mit fünf langen Sprüngen hinter sich. »Erst anklopfen«, rief Astrid hinter ihr her.
Vesa Larsson saß vor dem großen weißen
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