Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
fort. »Und es ist sicher kein Geheimnis, dass sie und Stefan nicht gerade an einem Strang zogen. Stefan ist gegen weibliche Geistliche. Ich teile seine Auffassung nicht, muss sie aber respektieren. Und Mildred war unsere eifrigste Lokalfeministin, wenn ich mich so ausdrücken darf. Als Chef der beiden hatte ich es nicht leicht. Ich weiß, dass es eine hoch qualifizierte Frau gibt, die sich um die Stelle bewerben wird, wenn ich sie ausschreibe. Ich habe nichts gegen diese Frau, im Gegenteil. Aber um der Arbeitsruhe und des Gemeindefriedens willen möchte ich die Stelle mit einem Mann besetzen.«
»Auch wenn der weniger qualifiziert ist?«, fragte Torsten.
»Ja. Ist das möglich?«
Torsten rieb sich das Kinn, ohne den Blick vom Bild zu wenden.
»Natürlich«, sagte er ruhig. »Aber wenn die abgewiesene Bewerberin vor Gericht geht, müssen Sie Schadensersatz zahlen.«
»Und sie dann einstellen?«
»Nein, nein. Wenn der Posten schon an einen anderen gegangen ist, kann man ihm den nicht wieder wegnehmen. Ich kann feststellen, wie hoch die Schadensersatzsummen in solchen Fällen normalerweise ausfallen. Das mache ich gratis.«
»Er meint sicher, dass Sie das gratis machen müssen«, sagte der Probst lachend zu Rebecka.
Rebecka lächelte höflich. Der Probst wandte sich wieder Torsten zu.
»Damit wäre mir sehr geholfen«, sagte er ernst. »Und dann gibt es da noch etwas. Oder sogar zwei Dinge.«
»Schießen Sie los«, sagte Torsten.
»Mildred hat eine Stiftung gegründet. Wir haben eine Wölfin, die sich in den Wäldern um Kiruna niedergelassen hat. Die Stiftung sollte ihr beim Überleben helfen. Schadensersatz an Rentierbesitzer, Hubschrauberüberwachung in Zusammenarbeit mit den Naturschutzbehörden…«
»Ja?«
»Vielleicht ist diese Stiftung in der Gemeinde nicht so fest verankert, wie Mildred es sich gewünscht hätte. Nicht dass wir an sich gegen Wölfe sind, aber wir möchten eine unpolitische Ausrichtung beibehalten. Alle, Wolfshasser und Wolfsliebhaber, sollen sich in der Kirche zu Hause fühlen können.«
Rebecka schaute aus dem Fenster. Draußen stand der Vorsitzende des Gemeindevorstands und schaute sie neugierig an. Er hielt seine Untertasse wie einen Tropfenfänger unter sein Kinn, wenn er aus seiner Tasse trank. Sein Hemd sah nicht gerade schön aus. Es war vermutlich irgendwann einmal beige gewesen, aber dann war es offenbar zusammen mit einer blauen Socke gewaschen worden.
Wie gut, dass er im Dorfladen einen passenden Schlips gefunden hat, dachte Rebecka.
»Wir möchten den Fond auflösen und die Mittel einem anderen Zweck zuführen, der besser zur Kirche passt«, sagte der Probst.
Torsten versprach, die Frage an einen Experten für Vereinsrecht weiterzuleiten.
»Und dann haben wir noch ein unangenehmes Problem. Mildred Nilssons Mann wohnt noch immer im Pfarrhaus von Poikkijärvi. Es ist natürlich schrecklich für uns, ihn von Haus und Hof vertreiben zu müssen, aber…Ja, wir brauchen das Pfarrhaus für andere Zwecke.«
»Aber das kann doch kein Grund zur Sorge sein«, sagte Torsten. »Rebecka, du willst doch noch ein paar Tage hier bleiben, kannst du dir nicht mal den Mietvertrag ansehen und mit ihm sprechen…wie heißt der Mann eigentlich?«
»Erik. Erik Nilsson.«
»Wenn dir das recht ist?«, fragte Torsten Rebecka. »Sonst kann ich das auch machen. Es ist doch eine Dienstwohnung, schlimmstenfalls müssen wir den Gerichtsvollzieher zu Hilfe holen.«
Der Probst verzog das Gesicht.
»Und wenn es so weit kommen sollte«, sagte Torsten gelassen, »dann ist es doch gut, das alles einer verdammten Anwältin in die Schuhe schieben zu können.«
»Ich mach das schon«, sagte Rebecka.
»Erik hat Mildreds Schlüssel«, sagte der Probst zu Rebecka. »Also die Kirchenschlüssel. Die will ich zurückhaben.«
»Ja«, sagte sie.
»Unter anderem auch den Schlüssel zu ihrem Safe im Pfarrbüro. Der sieht so aus.«
Er zog einen Schlüsselbund aus der Tasche und zeigte Rebecka einen Schlüssel.
»Ein Safe«, sagte Torsten.
»Für Geld, Notizen von seelsorgerischen Gesprächen und, ja, für Dinge, die man nicht verlieren will«, sagte der Probst. »Geistliche sind doch nicht oft in ihren Büros, und in den Gemeindehäusern ist immer viel Zulauf.«
Torsten konnte sich eine Frage nicht verkneifen: »Wieso hat die Polizei diesen Schlüssel nicht?«
»Na ja«, sagte der Probst gelassen, »die haben nicht danach gefragt. Sehen Sie nur, jetzt nimmt Bengt Grape sich schon das vierte Brot.
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