Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
Restaurants.
Sie dachte daran, was er beim Anblick von Mildreds Foto gesagt hatte. »Ilred. Schaukel.« Aber Teddy schaukelte nicht. Sie hätte die Schaukel sehen mögen, auf der er Platz gehabt hätte. Also konnten sie nicht zusammen auf dem Spielplatz gewesen sein und geschaukelt haben.
Teddy öffnete die Tür zum Hühnerstall. Er suchte dort immer für Mimmi Eier.
»Teddy«, sagte Lisa und versuchte, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Teddy, hast du Mildred schaukeln sehen?«
Sie zeigte mit der Hand nach oben.
»Schaukeln«, antwortete er.
Sie ging hinter ihm her in den Stall. Er schob die Hand unter die Hühner und nahm die Eier, auf denen sie saßen. Lachte, wenn sie wütend nach seiner Hand pickten.
»War das hoch oben? War das Mildred?«
»Ilred«, sagte Teddy.
Er steckte die Eier in die Tasche und ging aus dem Stall.
Herrgott, dachte Lisa. Was mach ich denn eigentlich hier? Er wiederholt doch bloß, was ich sage.
»Hast du die Rakete gesehen?«, fragte sie und machte mit der Hand eine fliegende Bewegung. »Wusch!«
»Wusch«, lachte Teddy und zog mit einer fegenden Bewegung ein Ei aus der Tasche.
Draußen auf der Landstraße hielt Lars-Gunnars Auto an und hupte.
»Dein Papa«, sagte Lisa.
Sie hob die Hand zu einem Gruß für Lars-Gunnar. Sie spürte, wie steif und widerspenstig die Hand war. Der Körper war ein Verräter. Es war ihr einfach unmöglich, Lars-Gunnars Blick zu erwidern oder ein Wort mit ihm zu wechseln.
Sie blieb hinter dem Lokal stehen, während Teddy zum Wagen lief.
Nicht daran denken, sagte sie zu sich. Mildred ist tot. Nichts kann daran etwas ändern.
ANKI LINDMARK WOHNTE in einer Wohnung im zweiten Stock in der Kyrkogata 21 D. Sie öffnete die Tür, als Anna-Maria Mella klingelte, und schaute über die Sicherheitskette. Sie war Mitte dreißig, vielleicht etwas jünger. Ihre selbst gemachte Blondierung wuchs inzwischen heraus. Sie trug eine lange Jacke und einen Jeansrock. Durch den Türspalt registrierte Anna-Maria, dass die andere ziemlich groß war, sicher einen halben Kopf größer als ihr Exmann. Anna-Maria stellte sich vor.
»Sind Sie die Exfrau von Magnus Lindmark?«, fragte sie.
»Was hat er angestellt?«, fragte Anki Lindmark zurück.
Dann wurden die Augen hinter der Sicherheitskette groß.
»Ist etwas mit den Jungen?«
»Nein«, sagte Anna-Maria. »Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Das geht schnell.«
Anki Lindmark ließ sie rein, legte die Sicherheitskette wieder vor und schloss die Tür ab.
Sie gingen in die Küche. Die war sauber aufgeräumt. Haferflocken, Kakaopulver und Zucker in Tupperwaredosen auf der Anrichte. Ein Deckchen auf der Mikrowelle. Auf der Fensterbank standen Holztulpen in einer Vase, ein Glasvogel und eine winzige Holzkirche. Kinderzeichnungen waren mit Magneten an Kühlschrank und Tiefkühltruhe befestigt. Vorhänge mit Saum und Spitzenkante.
Am Küchentisch saß eine Frau von Mitte sechzig. Sie hatte karottenrote Haare und schaute Anna-Maria wütend an. Schüttelte eine Mentholzigarette aus einer Packung und zündete sie an.
»Meine Mutter«, erklärte Anki Landmark, als sie sich setzten.
»Wo sind die Kinder?«, fragte Anna-Maria.
»Bei meiner Schwester. Ihr Vetter hat heute Geburtstag.«
»Ihr Exmann, Magnus Lindmark…«, fing Anna-Maria an.
Als Anki Lindmarks Mutter den Namen ihres Exschwiegersohns hörte, stieß sie schnaubend eine Rauchwolke aus.
»…hat gesagt, dass er Mildred Nilsson gehasst hat«, sagte Anna-Maria.
Anki Lindmark nickte.
»Er hat auf ihrem Grundstück Schäden hervorgerufen«, sagte Anna-Maria.
Gleich darauf hätte sie sich die Zunge abbeißen mögen. »Auf dem Grundstück Schäden hervorgerufen«, was war das denn für eine Behördensprache? Aber die zusammengekniffenen Augen der Karottenfrau ließen sie so förmlich werden.
Sven-Erik, komm und hilf mir, dachte sie.
Er konnte mit Frauen reden.
Anki Lindmark zuckte mit den Schultern.
»Also, das alles hier bleibt unter uns«, sagte Anna-Maria in dem Versuch, die Kontinentalsockel aneinander zu schieben. »Haben Sie Angst vor ihm?«
»Erzähl ihr, warum du hier wohnst«, sagte die Mutter.
»Ja«, sagte Anki Lindmark. »Zuerst, als ich ihn verlassen hatte, habe ich in Mamas Hütte in Poikkijärvi gewohnt…«
»Die ist jetzt verkauft«, sagte die Mutter. »Wir können nicht mehr da draußen sein. Erzähl weiter.«
»…aber Magnus hat mir immer wieder Zeitungsartikel über Brände und so geschickt, und da hab ich mich nicht
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