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Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Titel: Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asa Larsson
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des Probstes kein Weichei war. Und jetzt als Erwachsenen zog es ihn zu Menschen und Situationen hin, wo er wie Dreck behandelt wurde.
    Er griff zum Telefon. Nur ein Gespräch.

LISA STÖCKEL SITZT AUF DER TREPPE ihres Hexenhäuschens. Das Gesellenstück eines drogensüchtigen Zuckerbäckers, wie Mimmi es nennt. Bald wird sie zur Kneipe hinuntergehen. Sie isst jetzt jeden Tag dort. Mimmi scheint sich darüber nicht weiter zu wundern. In der Küche hat Lisa nur noch einen Suppenteller, einen Löffel und einen Büchsenöffner für das Katzenfutter. Die Hunde springen an der Grundstücksgrenze hin und her. Beschnüffeln und bepissen die schwarzen Johannisbeeren. Sie hat fast das Gefühl, dass sie sie fragend anstarren, weil sie sie nicht ruft.
    Pisst doch, wo ihr wollt, denkt sie mit der Andeutung eines Lächelns.
    Die Härte des Menschenherzens ist schon seltsam. Wie Fußsohlen im Sommer. Man kann über Tannenzapfen und Kieselsteine laufen. Aber wenn die Ferse einreißt, dann tut es schrecklich weh.
    Die Härte war immer schon ihre Stärke. Jetzt ist sie ihre Schwäche. Sie versucht, die richtigen Worte für Mimmi zu finden, aber das geht einfach nicht. Alles, was gesagt werden müsste, hätte schon vor langer Zeit gesagt werden müssen, und jetzt ist es zu spät.
    Und was sollte sie überhaupt sagen? Die Wahrheit? Wohl kaum. Sie denkt daran, wie Mimmi sechzehn war. Lisa und Tommy waren schon viele Jahre geschieden. Er trank sich durch die Wochenenden. Es war nur gut, dass er ein so tüchtiger Fliesenleger war. Solange er Arbeit hatte, begnügte er sich von Montag bis Donnerstag mit Bier. Mimmi machte sich Sorgen. Natürlich. Fand, Lisa solle mit ihm reden. Fragte: »Ist Papa dir denn ganz egal?« Lisa hatte geantwortet: »Nein.« Das war gelogen gewesen. Und dabei hatte sie doch beschlossen, dass mit den Lügen Schluss sein sollte. Aber Mimmi war eben Mimmi. Lisa war es scheißegal, was Tommy machte. »Warum hast du Papa eigentlich geheiratet?«, fragte Mimmi ein anderes Mal. Lisa musste einsehen, dass sie keine Ahnung hatte. Die Erinnerung an diese Zeit war einfach in Nebel gehüllt. Sie hatte sich nicht daran erinnern können, was sie gedacht oder empfunden hatte, damals, als sie sich kennen gelernt hatten, miteinander ins Bett gegangen waren, sich verlobt hatten, als sie seine Zinke um ihren Finger tragen musste. Und dann war Mimmi gekommen. Sie war immer ein wunderbares Kind gewesen. Aber zugleich die Fessel, die Lisa für immer an Tommy band. Sie zweifelte bisweilen an ihren mütterlichen Gefühlen. Was sollte eine Mutter für ihr Kind empfinden? Das wusste sie nicht. Ich könnte für sie sterben, hatte sie manchmal gedacht, wenn sie am Bett der schlafenden Mimmi stand. Aber das war doch nur leeres Gerede. Es war so, wie eine Auslandsreise zu versprechen, falls man eine Million im Lotto gewinnt. Es war leichter, theoretisch für ein Kind zu sterben, als sich hinzusetzen und ihm eine Viertelstunde lang vorzulesen. Die schlafende Mimmi machte sie krank vor Sehnsucht und Gewissensqualen. Die wache Mimmi mit ihren Händchen, die in ihrem Gesicht und in ihren Armen Haut und Nähe suchten, machten ihr eine Gänsehaut.
    Es war ihr wie eine Unmöglichkeit erschienen, aus der Ehe herauszukommen. Und als sie dann endlich gegangen war, war sie erstaunt, wie leicht es ihr fiel. Sie brauchte ja nur zu packen und umzuziehen. Tränen und Geschrei waren wie Öl im Wasser.
    Mit Hunden gibt es nie solche Probleme. Die interessieren sich nicht für Lisas wechselhafte Stimmungen. Sie sind absolut ehrlich und von unermüdlicher Fröhlichkeit.
    Wie Teddy. Beim Gedanken an ihn muss Lisa lachen. Sie kann es seiner neuen Freundin ansehen, dieser Rebecka Martinsson. Als Lisa sie am Dienstagabend zum ersten Mal sah, trug Rebecka den knöchellangen Mantel und den leuchtenden Schal, sicher aus reiner Seide. Steife Chefsekretärin oder was sie war. Und dann war da etwas an ihr gewesen, ein sekundenschnelles Zögern vielleicht. Als ob sie immer überlegte, ehe sie antwortete, gestikulierte oder auch nur den Mund zu einem Lächeln verzog. Teddy ist das alles egal. Er trampelt in die Herzen der Menschen, ohne sich auch nur die Schuhe auszuziehen. Ein Tag mit Teddy, und schon trug Rebecka Martinsson einen Anorak aus den siebziger Jahren und band sich die Haare mit einem braunen Gummiband hoch, so einem, das die halbe Kopfhaut abreißt, wenn man es abnehmen will.
    Und er weiß nicht, wie man lügt. Jeden zweiten Donnerstag serviert Mimmi im Lokal

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