Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Björnfot.
Er wandte sich wieder Sivving zu.
»Du und deine Frau, ihr wart also die Nachbarn von Rebeckas Großmutter?«
»Ja, und Rebecka hat fast ihre ganze Kindheit hindurch hier gewohnt.«
»Ja, wieso eigentlich, Rebecka? Hast du als Kind schon deine Eltern verloren oder was?«, fragte Alf Björnfot schonungslos.
Sivving sprang auf.
»Möchte vielleicht jemand ein Ei aufs Brot? Ich habe gekochte Eier im Kühlschrank. Die sind von heute früh.«
»Papa ist gestorben, als ich noch nicht ganz acht war«, sagte Rebecka. »Er fuhr eine Forstmaschine. War im Winter im Wald unterwegs und hatte einen undichten Hydraulikschlauch. Wir wissen nicht genau, wie es passiert ist, er war doch allein da draußen. Aber vermutlich ist er heruntergeklettert und hat sich den Schlauch angesehen, und dabei hat der sich gelöst.«
»Ach, verdammt«, sagte Alf Björnfot. »Kochend heißes Hydrauliköl.«
»Ja, und so hoher Druck. Er wurde vom Öl bespritzt. Wahrscheinlich war er sofort tot.«
Rebecka zuckte mit den Schultern. Eine Geste, die besagte, dass es lange her war. Sehr weit weg für sie.
»Schlampig und ungeschickt«, sagte sie leichthin, »aber manchmal ist man das ja.«
Aber er hätte es nicht sein müssen, dachte sie und starrte den Bildschirm an. Ich brauchte ihn. Er hätte mich zu sehr lieben müssen, um schlampig und ungeschickt zu sein.
»Es hätte jedem passieren können«, wandte Sivving ein, der nicht zulassen wollte, dass Rebecka Fremden gegenüber ihren Vater in ein schlechtes Licht rückte. »Man ist müde, und dann steigt man von der Maschine, und es ist kalt, an dem Tag waren es fünfundzwanzig Grad unter null. Und er war bestimmt auch gestresst. Wenn die Maschine stehen bleibt, ja, dann gibt es kein Geld.«
»Und deine Mutter?«, fragte Alf Björnfot.
»Sie hatten sich im Jahr vor seinem Tod scheiden lassen. Aber ich war zwölf, als ich sie verlor. Sie wohnte auf Åland. Ich war hier bei Großmutter. Sie wurde von einem Lastwagen überfahren.«
Es ist Spätwinter. Bald wird Rebecka zwölf. Sie war mit anderen Kindern aus dem Dorf unterwegs und ist von einem Scheunendach gesprungen. In den Schnee. Jetzt ist ihr Rücken ganz nass, und ihre Samenstiefel sind voller Schnee. Sie muss nach Hause und sich umziehen.
Zu Hause, das ist jetzt bei Großmutter. Zu Anfang, nach dem Tod des Vaters, hat sie bei Mama gewohnt, das aber nur für ein Jahr. Mama arbeitet oft anderswo. Die erste Zeit war chaotisch. Mama lieferte Rebecka bei der Großmutter ab, manchmal, weil sie arbeiten musste, dann wieder, weil sie müde war. Und wenn sie sie wieder abholte, war sie oft sauer. Sauer auf die Großmutter, obwohl sie die doch gebeten hatte, sich um Rebecka zu kümmern.
Jetzt, als Rebecka in ihren nassen Kleidern in die Küche kommt, sitzt Mama am Küchentisch. Sie ist ungeheuer guter Laune. Rosen auf den Wangen, die Haare hat sie sich von einem Friseur färben lassen, nicht wie sonst von einer Freundin.
Sie hat einen neuen Mann kennengelernt, erzählt sie. Er wohnt auf Aland, und er will, dass Mama und Rebecka zu ihm ziehen.
Mama erzählt, dass er ein wunderschönes Haus hat. Und dass in der Nähe viele Kinder wohnen. Rebecka wird viele neue Freunde finden.
Rebecka merkt, wie sich ihr Zwerchfell zusammenzieht. Omas Haus ist auch wunderschön. Da will sie wohnen. Sie will nicht umziehen.
Sie sieht die Großmutter an. Die sagt nichts, hält aber Rebeckas Blick fest.
»Niemals«, sagt Rebecka.
Und kaum hat sie gewagt, dieses leise Wort über ihre Lippen zu lassen, da spürt sie, wie wahr es ist. Niemals wird sie umziehen, niemals mit Mama irgendwohin gehen. Sie wohnt hier in Kurravaara. Und auf Mama ist kein Verlass. Den einen Tag ist sie so wie jetzt. Und alle Freundinnen von Rebecka finden, dass sie so hübsch ist und so schöne Kleider hat, und sie spricht auf dem Schulhof mit den älteren Mädchen. Eine hat einmal so laut geseufzt, dass Rebecka es auch hören konnte: »So eine Mama müsste man haben, eine, die Durchblick hat.«
Aber Rebecka weiß mehr über ihre Mutter. Wenn sie im Bett liegt und nichts fertigbringt und Rebecka einkaufen gehen und von belegten Broten leben muss und sich nicht traut, irgendetwas zu machen, denn egal, was sie tut, es ist immer falsch.
Jetzt gibt Mama sich alle Mühe, um Rebecka zu überreden. Sie spricht mit ihrer schönsten Stimme. Versucht, sie an sich zu drücken, aber Rebecka weicht aus. Sie weigert sich. Schüttelt die ganze Zeit den Kopf. Sie sieht, wie Mama die
Weitere Kostenlose Bücher