Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
wirklich fast zu Tode geschuftet. Aber ihr war das nur recht gewesen, sie hatte ja nichts anderes gehabt.
Ich war doch nicht ganz gescheit, dachte sie. Ich konnte die ganze Nacht durcharbeiten, nur für ein kurzes »gut« oder ein anerkennendes Nicken von ihm.
Nicht an ihn denken, mahnte sie sich.
»Was machst du eigentlich heute hier?«, fragte sie dann.
Alf Björnfot erzählte von der Frau, die sie in der Arche gefunden hatten.
»Ich finde es eigentlich nicht so seltsam, dass sie nicht vermisst gemeldet ist«, sagte Rebecka. »Wenn hier jemand seine Frau umgebracht hat, dann lässt er sich jetzt sicher irgendwo voll laufen und jammert und tut sich ja so leid. Und sonst hat noch niemand Zeit gehabt, sie zu vermissen.«
»Das kann natürlich sein.«
Es wurde an die Tür geklopft, und gleich darauf schaute Kommissarin Anna-Maria Mella herein.
»Hier bist du also«, sagte sie fröhlich zum Oberstaatsanwalt.
»Ja, jetzt ist Besprechung. Alle sind da. Kommst du auch?«
Das war an Rebecka Martinsson gerichtet.
Rebecka schüttelte den Kopf. Sie und Anna-Maria liefen einander ab und zu über den Weg. Dann sagten sie hallo, viel mehr aber auch nicht. Anna-Maria Mella und ihr Kollege Sven-Erik Stålnacke waren dabei gewesen, als Rebecka den Verstand verloren hatte. Sven-Erik Stålnacke hatte sie festgehalten, bis der Krankenwagen eingetroffen war. Sie dachte manchmal daran. Dass jemand sie festgehalten hatte. Das war ein gutes Gefühl.
Aber es war schwer, mit ihnen zu sprechen. Was sollte sie sagen? Ehe sie von der Arbeit nach Hause fuhr, schaute sie immer durch das Fenster auf den Parkplatz. Manchmal sah sie dort Anna-Maria Mella oder Sven-Erik Stålnacke. Und dann wartete sie, bis die anderen verschwunden waren.
»Was ist passiert?«, fragte Alf Björnfot.
»Nichts ist passiert, seit wir zuletzt miteinander gesprochen haben«, sagte Anna-Maria. »Niemand hat etwas gesehen. Wir wissen noch immer nicht, wer sie ist.«
»Lass sie mal ansehen«, sagte Alf Björnfot und streckte die Hand aus.
Anna-Maria reichte ihm das Foto der Toten.
»Mir kommt sie auch bekannt vor«, sagte Alf Björnfot.
»Darf ich mal?«, fragte Rebecka.
Alf Björnfot schob das Foto über den Tisch und sah Rebecka an.
Sie trug Jeans und Pullover. So hatte er sie noch nie gesehen, seit sie bei ihm arbeitete. Sicher lag es daran, dass Sonntag war. Normalerweise hatte sie die Haare hochgesteckt und trug gut geschnittene Kostüme. Er dachte dann immer, dass sie ein fremder Vogel war. Einige von den anderen trugen auch Kostüm oder Anzug, wenn sie vor Gericht zu tun hatten. Er selbst hatte das schon längst aufgegeben. Begnügte sich damit, zu Gerichtsverhandlungen eine Tweedjacke zu tragen. Bügelte nur die Kragenspitzen und zog einen Wollpullover darüber.
Aber Rebecka sah auf irgendeine Weise immer teuer aus. Teuer und sehr schlicht in ihren grauen oder schwarzen Kostümen und der weißen Bluse.
Etwas rührte sich in ihm. Diese Frau. Er hatte sie im Kostüm gesehen.
»Nein, die kenne ich nicht«, sagte Rebecka.
Wie Rebecka. Weiße Bluse und Kostüm. Auch diese Frau war ein fremder Vogel.
Sie unterschied sich von den anderen.
Von welchen anderen?
Er sah vor sich das Bild einer Politikerin. Kostüm, Blusenkragen über der Jacke. Blonder Pagenkopf. Sie war umgeben von Männern in Anzügen.
Der Gedanke lag auf der Lauer wie ein Hecht im Schilf. Er spürte die Schwingungen von etwas, das sich näherte. EU? UN?
Nein. Politikerin war sie nicht.
»Jetzt weiß ich«, sagte Alf Björnfot. »Ich hab es in den Nachrichten gesehen. Eine Gruppe von Anzugträgern, die sich hier in Kiruna im Schnee zu einem Gruppenbild aufgestellt hatten. Was zum Teufel war denn nur der Anlass? Ich weiß noch, dass ich gelacht habe, weil sie viel zu dünn angezogen waren. Keine Mäntel. Dünne schwarze Schuhe. Sie standen im Schnee und hoben die Füße wie eine Storchenschar. Das sah so witzig aus. Und sie war dabei …«
Er schlug sich auf die Stirn, wie um die Münze in Bewegung zu setzen.
Rebecka Martinsson und Anna-Maria Mella warteten geduldig.
»Ja, jetzt …«, sagte er und verschränkte die Finger. »Das war doch verflixt noch mal dieser Typ aus Kiruna, dem eine von den neuen Grubengesellschaften gehört. Sie hatten hier oben ihre Generalversammlung oder so was … ach, mein Kopf ist einfach das totale Sieb. – Na los«, forderte er dann Rebecka und Anna-Maria auf. »Das war doch kurz vor Weihnachten in den Nachrichten.«
»Ich schlafe nach der
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