Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Die Angst hält ihn wach. Aber dieser Moment vergeht sehr schnell. Mauri zuckt im trägen Suff mit den Schultern.
»Von mir aus«, sagt er. »Ich kriege fünfundzwanzig Prozent, und wenn ich die Sache satt habe, musst du selber übernehmen oder verkaufen, ganz wie du willst.«
»Fünfundzwanzig!« Diddi ist total baff. »Das ist doch Wucher! Was nehmen die Banken?«
»Dann geh doch zur Bank, die haben schließlich fähige Makler.«
Aber Diddi ist einverstanden.
Und dann lachen sie, als wäre das Ganze eigentlich ein Witz gewesen.
In der ausgestrahlten Version ist zu sehen, wie Mauri Kallis zum Interview dazukommt. In der rechten unteren Bildecke erscheint Malou von Sivers Hand in einer rotierenden Bewegung, »weiterdrehen«, an die Person hinter der Kamera gerichtet. Mauri Kallis ist dünn und ziemlich klein, wie ein braver Schulbube. Der Anzug sitzt perfekt. Seine Schuhe sind blank. Sein Hemd ist weiß, heutzutage trägt er maßgeschneiderte Baumwollhemden von hoher Qualität, die alles andere sind als durchsichtig.
Er bittet Malou von Sivers um Entschuldigung für die Verspätung, reicht ihr die Hand, dreht sich dann zu Inna Wattrang um und küsst sie auf die Wange. Sie lächelt und sagt: »Herrchen!« Diddi Wattrang und Mauri Kallis schütteln einander die Hand. Irgendwer zaubert einen Stuhl herbei, jetzt sitzen alle drei mit Malou von Sivers vor der Kamera.
Malou von Sivers fängt harmlos an. Die schwierigen Fragen bewahrt sie sich für den späteren Teil des Interviews auf. Mauri Kallis soll sich erst wohlfühlen, und wenn bei dem Interview etwas schiefläuft, dann doch besser gegen Ende, wenn sie fast fertig sind.
Sie hebt eine Nummer der Business Week vom Frühjahr 2004 hoch, mit Mauri auf der Titelseite, und einen zweiseitigen Artikel aus der Wirtschaftsbeilage von Dagens Nyheter. Die Überschrift in DN lautet: »Der Junge mit den Goldhosen«.
Inna sieht die Zeitung und denkt, dass es ein Wunder war, dass dieser Artikel geschrieben wurde. Wo Mauri doch Interviews verweigert. Sie konnte ihn am Ende immerhin zum Fototermin überreden. Der Fotograf der Business Week entschied sich für eine Großaufnahme, auf der Mauri zu Boden sieht. Der Assistent des Fotografen ließ einen Kugelschreiber fallen, der über den Boden kullerte. Mauri folgte ihm mit den Blicken. Der Fotograf schoss viele Bilder. Mauri sieht wie versunken aus. Fast wie im Gebet.
Malou von Sivers: »Vom Problemkind zu diesem hier« (sie macht eine Kopfbewegung, die den Herrensitz Regla, die erfolgreichen Geschäfte, die schöne Frau, einfach alles umfasst).
»Das sieht doch eigentlich aus wie ein Märchen, was ist das für ein Gefühl?«
Mauri sieht die Bilder an und wappnet sich gegen das Gefühl von Selbstekel, das sie in ihm auslösen.
Er ist aller Welt Eigentum. Sie nehmen ihn als Beweis dafür, dass ihre Ideologie die richtige ist. Die schwedischen Wirtschaftsverbände laden ihn als Redner ein. Sie zeigen auf ihn und sagen: »Seht ihn an. Alle können Erfolg haben, wenn sie das wollen.« Göran Persson hat erst kürzlich seinen Namen im Fernsehen erwähnt, in einer Diskussion über Jugendkriminalität. Schließlich wurde Mauri durch eine Sozialarbeiterin auf den richtigen Weg gebracht. Das System funktioniert. Noch immer existiert der schwedische Wohlfahrtsstaat. Die Schwachen haben eine Chance.
Mauri ist angewidert. Er will nicht benutzt, begrabscht werden.
Er lässt sich nichts anmerken. Seine Stimme ist die ganze Zeit ruhig und freundlich. Vielleicht ein wenig eintönig. Aber er sitzt ja nicht da, weil er eine charismatische Persönlichkeit ist, dafür sind Inna und Diddi zuständig.
Mauri Kallis: »Ich fühle mich … nicht wie eine Figur aus einem Märchen.«
Stille.
Malou von Sivers (macht noch einen Versuch): »In ausländischen Zeitungen werden Sie das ›schwedische Wunder‹ genannt und mit dem IKEA-Gründer Ingvar Kamprad verglichen.«
Mauri Kallis: »Wir haben ja beide die Nase mitten im Gesicht …«
Malou von Sivers: »Aber etwas ist doch dran? Sie haben beide mit leeren Händen angefangen. Haben eine internationale Gesellschaft aufgebaut, in einem Schweden, das als … schwer für Neuanfänge gilt.«
Mauri Kallis: »Und das ist es auch, die Steuergesetze bevorzugen altes Geld, aber beim Übergang von den Achtziger- in die Neunzigerjahre bestand doch die Möglichkeit, Kapital aufzubauen, und die habe ich genutzt.«
Malou von Sivers: »Erzählen Sie. Einer Ihrer alten Kommilitonen von der
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