Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Wattrang zu Besuch.
Sie sieht ihrem Bruder so ähnlich, hat die gleiche markante Nase, den gleichen blonden Pagenkopf. Er sieht fast aus wie ein Mädchen, sie sieht fast aus wie ein Junge. Ein Knabe in Rock und weißem Hemd.
Ihre Schuhe wirken teuer. Sie zieht sie nicht aus, als sie hereinkommt. Sie trägt schön gefasste Perlenohrringe.
Soeben hat sie ihr letztes Examen in Jura hinter sich gebracht, erzählt sie, als sie auf Mauris Bettkante sitzt. Er sitzt auf seinem Schreibtischstuhl und versucht, einen klaren Kopf zu behalten.
»Diddi«, sagt sie, »ist ein Idiot. Er hat die Frau getroffen, die das Schicksal jedem jungen Mann in den Weg schickt. Sie ist seine Entschuldigung dafür, dass er sich in alle Ewigkeit allen anderen Frauen gegenüber wie ein Schwein benehmen darf.«
Sie lächelt und fragt, ob sie rauchen darf. Mauri sieht, dass sie ein Lachgrübchen hat, aber nur auf der einen Seite.
»Ach, ich bin schrecklich«, sagt sie dann.
Sie klingt wie eine Filmdiva und qualmt wie ein kleiner Zug. Sie scheint aus einer anderen Zeit entsprungen. Mauri sieht sie vor sich, umgeben von Stubenmädchen in schwarzen Kleidern mit weißen Schürzen, oder wie sie mit Fahrhandschuhen ein Automobil lenkt und Absinth trinkt.
»Ich will seinen Schmerz bestimmt nicht kleinreden«, sagt sie. »Diese Sofia hat ihn wirklich zerbrochen. Ich weiß nicht, was zwischen euch passiert ist, aber er ist nicht mehr er selbst. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Hab wirklich Angst, verstehst du? Ich weiß, dass er dich als seinen Freund betrachtet. Er hat so oft von dir erzählt.«
Mauri will das glauben. Das will er. Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben.
»Ich weiß, dass er sich mit dir versöhnen möchte. Komm doch mit, und rede mit ihm. Er hat das Bedürfnis, um Entschuldigung zu bitten. Das Letzte, was er braucht, ist, sich seine wenigen vernünftigen Freundschaften zu ruinieren.«
Das ist absolut nicht das, was Mauri sich gedacht hat. Aber sie nehmen den Bus 540 und dann die U-Bahn in die Stadt, und er trottet mit ihr durch den weichen fallenden Schnee zum Strix.
Sie geht dicht neben ihm, ab und zu streift ihr Oberarm den seinen. Er würde sich gern bei ihr einhaken, wie in einem alten Film. Es ist leicht, mit ihr zu sprechen, und sie lacht oft. Es ist ein ziemlich leises und weiches Lachen. Ehe Diddi kommt, trinken sie ein paar Gläser.
Inna besteht darauf, ihn einzuladen. Sie hat für einen Verwandten, der eine Immobilienfirma betreibt, einen Auftrag erledigt und ist soeben bezahlt worden. Mauri fragt interessiert nach diesem Auftrag, sie hat ihm schon so viele Fragen gestellt, aber sie weicht so geschickt aus, dass er das in diesem Moment nicht einmal bemerkt. Plötzlich sprechen sie einfach über etwas anderes. Er ist angenehm beschwipst und vergisst sich und redet ein wenig zu viel, und sein Blick wird ungehorsam und wandert zu den schweren Brüsten unter ihrem Herrenhemd.
Und als Diddi kommt, ist es wirklich wie in einem alten Film, wenn sich zerstrittene Busenfreunde endlich versöhnen. Draußen fällt der Schnee über dem dunklen Stockholm. Belanglose Menschen wandern als Statisten durch die Drottninggata oder prosten sich zu, reden, lachen an den Nachbartischen und sind allesamt gerade mal mittelmäßig.
Und Diddi, das schönste Gespenst und Wrack, das man sich denken kann, weint offen dort im Lokal, während die Geschichte von Sofia nur so aus ihm herausströmt. »Es hat ihr nichts ausgemacht, mein Geld zu verjubeln, solange ich welches hatte.«
Und Inna streichelt ganz schnell die Hand ihres Bruders, ihr Knie dagegen sucht die ganze Zeit Kontakt zu Mauri, was aber vielleicht keinerlei Bedeutung hat.
Und viel später, als sie unter der Straßenlaterne vor einem rund um die Uhr geöffneten Laden stehen und die Zeit zum Abschied gekommen ist, sagt Diddi, dass er weiterhin mit Mauri in Aktien spekulieren will.
Mauri sagt nicht, dass er und Diddi niemals zusammen spekuliert haben, dass Mauri diese Arbeit macht. Aber seine Härte erwacht, keine Inna und kein Diddi und keine Magie auf der Welt können die so ganz in den Schlaf wiegen.
»In Ordnung«, sagt er und deutet ein Lächeln an. »Besorge dir Geld, dann bist du wieder dabei. Aber jetzt nehme ich dreißig Prozent.«
Sofort ist die Stimmung weniger harmonisch. Mauri trinkt das knisternde Unbehagen in großen Schlucken. Denkt, daran muss ich mich gewöhnen. Wer große Geschäfte machen will, gute Geschäfte, muss wegstecken können. Unbehagen, Knistern,
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