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Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Titel: Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Larsson
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Rani.«
    Ein rascher Blickwechsel. Britta ist sechsundvierzig, sieht aber aus wie sechzig. Das kommt vom Rauchen, seit sie zwölf war, und den schweren Medikamenten. Ihr aufgedunsener Körper auf dem Sofa vor dem Fernseher. Ihr irritierend langsames Denken. Ihre unfreiwilligen Mundbewegungen, die Zunge, die aus dem Mund schießt, der Kiefer, der sich seitwärts bewegt.
    Ajay Rani ist Anfang zwanzig. Er hat schmale Handgelenke und weiße Zähne. Für ihn besteht noch immer große Hoffnung. Er nimmt am Arbeitstraining teil und besucht einen Schwedischkurs für Zuwanderer.
    Oberarzt Nils Gunnarsson möchte wissen, was Ajay zu der Sache zu sagen hat. Die Leiterin der Station schüttelt den Kopf und lächelt ein wenig bedauernd. Nein, natürlich, wer würde sich schon zu ihr bekennen. Britta nimmt bei den Patienten einen Platz ganz unten in der Hackordnung ein.
    »Was sagt sie selbst? Will sie das Kind behalten?«
    »Sie sagt, es sei ein Kind der Liebe.«
    Worauf dem Oberarzt ein »Herrgott« herausrutscht und er in Brittas Krankenbericht blättert. Eine Zeit lang sagt niemand etwas. Ihre Gedanken streifen beschämt Abtreibungspillen und die Zwangssterilisationen früherer Zeiten.
    »Wir müssen sie vom Lithium herunternehmen«, sagt er. »Wir müssen ja wohl versuchen, dieses kleine Leben in so gutem Zustand wie möglich herauszuholen.«
    Wer weiß, denken sie, vielleicht wird Britta alles bereuen, wenn ihr Zustand sich verschlechtert, und dann will sie das Kind loswerden. Das wäre doch das Beste für alle Beteiligten.
    Oberarzt Nils Gunnarsson versucht, den Krankenbericht zuzuklappen und die Besprechung zu beenden, aber die Stationsleiterin lässt ihn nicht so billig davonkommen. Sie ist schon in Rage, ehe sie auch nur angefangen hat zu sprechen.
    »Ich habe nicht vor, Britta ohne Medikamente auf der Station zu behalten, wenn ich keine zusätzlichen Ressourcen bekomme«, sagt sie empört. »Sie wird da oben die Hölle veranstalten.«
    Der Oberarzt verspricht, sein Bestes zu tun.
    Die Stationsleiterin ist damit nicht zufrieden.
    »Ich meine das ganz ernst, Nisse. Ich übernehme keine Verantwortung für die Station, wenn ich sie nur mit leichten Sedativen da oben habe. Dann höre ich auf.«
    Der Oberarzt denkt, dass Britta sicher die Station in Brand setzen wird. Und die Stationsleiterin wird ihr erstes Opfer sein.
     
    Sechs Monate später wird Britta in den Kreißsaal gefahren. Unter Flüchen und Verwünschungen. Hebammen, Geburtshelfer und Geburtsärztin stehen schockiert daneben. Soll sie so gebären? An Händen und Füßen gefesselt?
    Anders wird es wohl nicht gehen, erwidert Oberarzt Nils Gunnarsson und schiebt sich gelassen einen Priem unter die Oberlippe.
    Die Geburtshelfer sehen ihn verwundert an, wie er da vor dem Kreißsaal hin und her wandert, die reinste Parodie auf einen Familienvater aus den guten alten Zeiten, als der Mann bei der Geburt nicht zugegen sein durfte.
    Zwei Pflegekräfte von der Station sind ebenfalls anwesend. Ein junger Mann und eine junge Frau, ruhig und entschieden, in T-Shirts, er mit Tätowierungen auf den Armen, sie hat einen Ring in der Augenbraue und einen Stift in der Zunge. Das hier überlassen sie nicht irgendwelchen hergelaufenen Unbekannten. Und damit ist das Personal des Kreißsaals zu hergelaufenen Unbekannten degradiert.
    Britta ist außer sich. Während der Schwangerschaft hat ihr Zustand sich nach und nach verschlechtert, weil sie keine Medikamente bekommt, die dem Embryo schaden könnten. Ihre Zwangsvorstellungen haben zugenommen, ebenso ihre aggressiven Ausbrüche.
     
    Jetzt wütet sie zwischen den Wehen wie ein Berserker. Sie beschwört Verdammnis, Satan und dessen behaarte Engel auf alle Anwesenden herab. Sie sind Nutten und ausgedörrte Fotzen und verdammte, verdammte … jetzt sucht sie nach dem nächsten Schimpfwort. Ab und zu verliert sie sich in unbegreifliche Meinungsverschiedenheiten mit Wesen, die nur sie sehen kann.
    Aber da die nächste Wehe sie überkommt, schreit sie verängstigt »nein, nein«, und der Schweiß bricht ihr aus allen Poren. Und jetzt sehen sogar die Pfleger von ihrer eigenen Station hilflos aus. Einer versucht, mit ihr zu sprechen. Britta! Hallo! Hörst du mich! Und die Wehen werden stärker. Jetzt stirbt sie! Jetzt stirbt sie!
    Alle wechseln Blicke. Stirbt sie? Kann sie einfach sterben?
    Dann ebbt die Wehe ab, und die Wut stellt sich wieder ein.
    Oberarzt Nils Gunnarsson hört sie durch die Tür. Er ist so stolz auf sie. Darauf, wie ihre

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