Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
hochgezogen, es sah aus, als ob sie einen Priem einlegen wollte oder eine Andeutung von einer Hasenscharte hätte. Vielleicht war eine Operation vonnöten, das stand noch nicht fest. Und sie hatte sehr viele Haare verloren.
»Versprich mir, dass wir in Kontakt bleiben«, hatte Maria Taube gesagt und Rebeckas beide Hände genommen.
Und das hatten sie gemacht. Maria Taube rief ab und zu an. Rebecka freute sich dann, meldete sich aber niemals von sich aus. Und das schien in Ordnung zu sein. Maria meldete sich auch, wenn eigentlich Rebecka an der Reihe gewesen wäre.
Rebecka beendete ihr Gespräch mit Maria Taube und lief hinunter in den Heizungskeller. Sivving hatte soeben das Essen auf den Tisch gestellt.
Sie aßen und ließen es sich schmecken, ohne dabei etwas zu sagen.
Rebecka dachte an Måns Wenngren. An den Klang seines Lachens. An seine schmalen Hüften. An seine dunklen Locken. An seine blauen Augen.
Wenn sie selbst eine strahlende Schönheit wäre und nicht sozial gestört und verrückt, hätte sie ihn schon vor langer Zeit im Sturm erobert.
Ich hätte mir niemals einen anderen ausgesucht, dachte sie.
Sie würde nach Riksgränsen fahren und ihn treffen. Aber was sollte sie dazu anziehen? Ihr Schrank hing voll von eleganten Kostümen und Hosenanzügen fürs Büro. Jetzt brauchte sie etwas anderes. Jeans natürlich. Musste sich neue kaufen. Und was sollte sie dazu tragen? Und die Haare würde sie sich auch schneiden lassen müssen.
Sie dachte noch immer daran, als sie an diesem Abend im Bett lag.
Es darf nicht so aussehen, als ob ich mir Mühe gegeben hätte, dachte sie. Aber schön muss es sein. Er soll das, was er sieht, gern sehen.
Mittwoch, 19. März 2005
WIE ÜBLICH WURDE Anna-Maria Mella davon geweckt, dass Gustav ihr in den Rücken trat.
Sie schaute auf die Uhr. Zehn vor sechs. Ohnehin höchste Zeit zum Aufstehen. Sie zog ihn an sich, schnupperte an seinen Haaren. Gustav drehte sich zu ihr um. Er war wach.
»Hallo, Mama«, sagte er.
Auf der anderen Seite des Jungen grunzte Robert und zog sich die Decke über den Kopf, in dem vergeblichen Versuch, sich noch einige Minuten Schlaf zu erschleichen.
»Hallo, Lieber«, sagte Anna-Maria hingerissen.
Wie konnte jemand so niedlich sein? Sie streichelte die dunklen Kinderhaare. Sie küsste ihn auf Stirn und Mund.
»Ich hab dich lieb«, sagte sie. »Du bist der Feinste auf der Welt.«
Er streichelte ihr nun seinerseits die Haare. Dann sah er plötzlich tiefernst aus, betastete vorsichtig die Umgebung ihrer Augen und sagte besorgt:
»Mama, du hast aber viele Risse.«
Unter der Decke auf der anderen Seite war ein halb ersticktes Lachen zu hören, Roberts Körper wogte auf und ab.
Anna-Maria versuchte, ihrem Mann einen Tritt zu versetzen, was aber schwer war, denn Gustav lag wie eine schützende Mauer dazwischen.
In diesem Moment klingelte das Telefon.
Es war Kommissar Fred Olsson.
»Habe ich dich geweckt?«, fragte er.
»Nein, ich hatte schon einen richtigen Weckruf«, lachte Anna-Maria und versuchte weiter, Robert zu treten, während Gustav versuchte, unter Roberts Decke zu kriechen.
Robert schob die Decke unter seinen Rücken und widersetzte sich mit aller Kraft.
»Du hast doch gesagt, dass du schlechte Nachrichten sofort hören willst.«
»Nein, nein«, lachte Anna-Maria und sprang aus dem Bett.
»Das habe ich nie gesagt, und ich habe heute schon die schlechteste Nachricht des Jahres gehört.«
»Was ist eigentlich los bei euch?«, fragte Fred Olsson. »Feiert ihr oder was? Hör jetzt mal zu: Der Typ mit dem hellen Mantel …«
»John McNamara.«
»John McNamara. Den gibt es nicht.«
»Wie meinst du das, es gibt ihn nicht?«
»Hier liegt ein Fax von der britischen Polizei für dich. Der John McNamara, der am Flughafen von Kiruna einen Wagen gemietet hat, ist vor anderthalb Jahren im Irak ums Leben gekommen.«
»Ich komme«, sagte Anna-Maria. »O verdammt.«
Sie zog ihre Kleider an und streichelte die lebende Decke zum Abschied.
UM VIERTEL VOR SIEBEN fuhr Mauri Kallis’ Sicherheitschef Mikael Wiik durch die Lindenallee auf Regla zu. Er brauchte für die Fahrt von Kungsholmen nach Regla eine Stunde. An diesem Morgen war er um halb fünf aufgestanden, um rechtzeitig zur Frühstücksbesprechung bei Mauri Kallis einzutreffen. Aber er beklagte sich nicht. Früh aufzustehen war wirklich nicht so schlimm. Und überhaupt: Der Mercedes, den er fuhr, war neu. Und über Neujahr hatte er seine Freundin auf die Malediven
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