Rebella - Alpenblues & Huettenflirt
tatsächlich eine komplette Familie gemeinsam wandern geht. Beim Gedanken an seinen Vater in Wanderkleidung, der an einem Steilhang hängt, ist er vor Lachen fast den Berg runtergerollt.«
»Ich finde ihn, ehrlich gesagt, Furcht einflößend.«
»Seinen Vater?«
»Nee, Eric. Erinnert mich an einen angeleinten Kampfhund, den man nicht loslassen darf.«
»Echt? Liegt vielleicht daran, dass er Krafttraining macht und er sich hier nicht austoben kann. Ich glaube, das fällt ihm richtig schwer«, kicherte Nele gehässig. »Aber trotz der Muckis ist er völlig unsportlich. Ich habe ihn überredet, ein kleines Stückchen den Berg raufzujoggen, unglaublich, wie er gejapst hat.«
»Marcel hat auch total starke Muskeln und ist überhaupt kein Kampfhund«, mischte sich Ina ein, die auf ihrer Matratze lümmelte und verträumt an ihrem Silberring drehte.
»Nee, wirklich nicht«, gab ihr Nele recht. »Marcel ist auch die völlige Ausnahme. Er ist nämlich ein Sport treibender Streber.«
»Er ist kein Streber«, verteidigte Ina ihren Freund.
»Aber er sieht so aus«, behauptete Nele kurzerhand. »Okay, er hat Kondition und ist ein toller Läufer, aber sein Aussehen!«
»Marcel ist Leichtathlet, und nur weil er eine Brille trägt, ist er noch lange kein Langweiler. Dein Eric sieht dafür aus wie ein Türsteher«, schnauzte Ina und rauschte beleidigt ins eben frei gewordene Badezimmer.
»Das ist nicht MEIN Eric«, brummelte Nele säuerlich, doch im Gegensatz zu Sara konnte Ina das nicht mehr hören.
Logischerweise schloss sich Sara am nächsten Tag wieder Luca an und stellte verblüfft fest, dass sie das sogar gerne machte. Es war alles andere als eine Notlösung. Luca war eine unterhaltsame und angenehme Gesellschaft, außer er war mit seiner Kamera zugange, dann verwandelte er sich in einen schweigsamen, konzentrierten Jäger auf heißer Spur, der keine Nähe ertrug. Ein paar Mal versuchte sie, bei einer solchen Gelegenheit Theresa zu erwischen und endlich dieses elende Missverständnis aus der Welt zu räumen. Aber es war vergebens. Immer wenn Sara eine klitzekleine Chance entdeckte, Theresa unter vier Augen anzusprechen, vertiefte die sich plötzlich in ein superwichtiges Gespräch mit Jenny, rannte schleunigst Toni hinterher oder übersah Sara einfach. Theresa ging Sara so demonstrativ und auffällig aus dem Weg – soweit das in ihrer kleinen Gruppe überhaupt möglich war –, dass Sofia und Jenny ihr immer wieder höhnische Blicke zuwarfen. Sara knirschte frustriert mit den Zähnen, als Luca mal wieder weit zurückgefallen war, um ein spektakuläres Bergmassiv zu fotografieren, Nele wie eine Gazelle davonschoss und Theresa ihr den Rücken zudrehte. Es war zum Verrücktwerden! Theresa mit ihrem Toni-Fimmel, Nele mit ihren Gipfelträumereien und Luca mit seinem Fotokram.
Sara warf einen misstrauischen Blick auf die Wolkenberge, die sich seit einiger Zeit rings um die höchsten Gipfel ballten. Vielleicht war der Wetterumschwung schuld an ihrer Empfindsamkeit, so etwas sollte es ja geben. Möglich auch, dass deshalb die Stimmung der gesamten Gruppe zwischen aggressiv und resigniert hüpfte, wie ein verrückt gewordenes Barometer. Leo hätte seine aufmunternden Ansprachen genauso gut an die vom Wind gebeutelten krummen Latschenkiefern richten können. Fast alle litten inzwischen unter dicken Blasen, Muskelkater und Erschöpfung und schleppten sich nur widerwillig vorwärts. Luca gelangen einige bewegende und tiefgründige Motive, wie er Sara stolz berichtete: Marisa, die mit verheulten Augen ihre Blasen begutachtete, Ina und Marcel, die sich gegenseitig stützten, und Nele, die wie eine Vorbotin des Gewitters zwischen den Verzagten und Schlappen hin und her rannte und mit ihrem Drängen wirklich jedem den letzten Nerv raubte. Ja, die schwierige Wetterlage und Leos damit verbundenes Verbot, irgendwelche Zusatzgipfel anzusteuern, brachte selbst die sonst so gelassene Nele in ein mentales Tiefdruckgebiet. Als ihr Betteln vergeblich war und sie von Leo nur noch unfreundlich angeschnauzt wurde, schlich sie seufzend und jammernd hinter Sara her.
Es war der bisher härteste Tag, sogar Leo gab das zu. Sie mussten über 1500 Meter aufsteigen, um später genau die gleichen Höhenmeter wieder abzusteigen. Und das mit dem drohenden Unwetter im Nacken. Wenn das nicht frustrierend war, was dann?
»Ich könnte schon mindestens drei Mal dort oben sein«, beklagte sich Nele zum tausendsten Mal hinter Saras Rücken. So langsam nervte
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