Rebella - Alpenblues & Huettenflirt
Benno klar.
Sara entfuhr ein zischendes Geräusch zwischen Prusten und Hecheln, direkt in Lucas Gesicht, der noch immer neben ihr hockte. Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund. Natürlich fand sie Tim nicht lustig, aber die gesamte Situation war einfach zu absurd.
Lucas Augenbrauen hoben sich fragend, dann streckte er Sara die Hand entgegen, um sie hochzuziehen. »Komm, ich glaube, Leo und Frau Neuhaus sind nicht in der Laune, noch mehr Blödsinn zu ertragen oder gar ausgelacht zu werden. Ich finde es hier richtig ungemütlich, ich würde mich nicht wundern, wenn plötzlich noch mehr Gestalten aus dem Nebel nach uns greifen würden.«
»Lauter ötzimäßige Mumien«, schlug Sara vor.
»Oder welche, die bei Hannibals Alpenüberquerung erfroren sind.«
»Du meinst, es könnten Elefantengeister aus dem Nebel kommen?«
Sara kicherte schon wieder. Vermutlich lag das an ihren Nerven. Oder an der Angst, die sie tapfer zu unterdrücken versuchte. Es fehlte nicht viel und sie hätte angesichts des Nebels, der Kälte und der schrecklichen Umgebung angefangen zu weinen. Dann doch lieber kichern, oder?
Das half auch gegen ihre wohlbekannten Beklemmungen, die sie bekam, als es gleich darauf wieder galt, glitschige Felsen hinauf- und hinunterzukraxeln. Leo schaute schon die ganze Zeit besorgt zu ihr hinüber. Wie gut, dass Luca hinter ihr kletterte und ganz beiläufig ihren rechten Fuß in den passenden Bügel schob. Sie biss die Zähne zusammen und zog sich zum nächsten Absatz hoch. Auf keinen Fall wollte sie Leo einen Grund geben, irgendetwas in der Art von »Probleme, Sara? Soll ich dir helfen? Möchtest du vor mir gehen?« sagen zu müssen. Ihre vor Kälte steifen Finger hangelten nach dem nächsten Griff. Nur nicht nach unten schauen, hatte Leo gesagt. Nun, der Nebel hatte zwar den Vorteil, dass Sara nicht sah, wie weit es hinter ihr in die Tiefe ging, aber auf der anderen Seite ließ er ihrer Fantasie allen Spielraum der Welt. Und Sara hatte viel Fantasie.
Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als sie den Sattel überquerten, brach der Regen über sie herein. Trotz der prasselnden Tropfen war Leos Fluchen sicher bis zur nächsten Hütte zu hören.
Nicht einmal Nele verschwendete noch Gedanken an verpasste Bergspitzen, sondern wollte wie alle anderen nur schnell ins Warme und Trockene.
»Wir müssen den Abstieg vom Sattel so schnell wie möglich schaffen, alle Mann Kapuzen auf, Zähne zusammenbeißen und vorwärts!«, kommandierte Leo mit harter Stimme und trieb sie auf einen Abgrund zu, den sie mithilfe von Trittbügeln und Stahlseilen bewältigen sollten. Schön einer nach dem anderen: Toni musste als Erster runter, dann kamen die Mädchen und Frau Neuhaus, das Schlusslicht bildete Leo.
Merkwürdigerweise schien der Regen Saras Schwindelgefühle weggewaschen zu haben. Konzentriert arbeitete sie die glitschigen Tritte nacheinander ab. Jetzt, da alle zusammen in einer misslichen Lage waren, konnte sie sich eine persönliche Schwäche nicht leisten. Gerade weil sich die ganze Truppe gleichzeitig durch ein Nadelöhr pressen wollte, musste jeder Geduld und Nervenstärke zeigen, obwohl die keiner hatte.
»Nun mach schon, Alter, ich warte.« – »Mann, jetzt beeil dich mal!« – »Achtung, ich rutsche!« – »Weg da, ich bin dran!« – »Hey, du drängelst!« – »Autsch, mein Po!« – »Halloooo? Kannst du mal langsam machen?« – »Verdammt, was ’n das für ’n Dreck hier!« – »Noch ein Schritt, du Anfänger, und du stehst auf meinen Fingern.«
Obwohl der Weg so glatt war, als hätte eine Yetifrau ihren Seifenlaugeneimer ausgekippt, hetzten sie nach der Kletterpartie den Steilhang hinab. Dass Luca seine Kamera weggepackt hatte, um schneller sein zu können, sagte eigentlich alles. Sogar Benno legte eine erstaunliche Geschwindigkeit an den Tag, obwohl Sara den Verdacht hegte, dass ihn schlichtweg die Wucht seines Gewichts beschleunigte. Als irgendwann alle nass bis auf die Haut und die Hände und Füße vor Kälte ganz klamm waren und sich eine Haarnadelkurve an die nächste anschloss, ohne dass ein Ziel erkennbar war, kehrten sie zu einem normalen Tempo zurück. Die Hoffnung auf Wärme und Trockenheit schien sowieso vergebens zu sein und hatte deprimiertem Schweigen Platz gemacht.
»Hier entspringt die Isar, eigentlich wollten wir an der Quelle rasten und ein paar Forschungen anstellen«, rief Frau Neuhaus von hinten, als sie ein matschiges Tal entlanggingen. Wirklich niemand interessierte sich jetzt
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