Rebella - Alpenblues & Huettenflirt
Fotosession.« Sara hüpfte auf einem Bein und zog an ihrem Stiefel, der sich mit einem Quietschgeräusch von ihrem Fuß löste.
»Ich will ja auch nicht nett sein, sondern gute Fotos machen. Hier gibt es einmalige Porträts: Personifiziertes Elend – das Make-up schlägt zurück.«
»Danke für das Kompliment. Kannst du nicht schon mal reingehen? Ich komme hier allein klar«, knurrte Sara, die sich darüber aufregte, dass sogar die Socken nass waren. Die frischen lagen gemeinsam mit dem immer noch vorhandenen, verfluchten Päckchen zuunterst in ihrem Rucksack. Schon der Gedanke daran drückte ihr Stimmungsbarometer um weitere zwei Grad. Sie war diese blöde Schachtel einfach noch nicht losgeworden, und jetzt wurde sie jedes Mal, wenn sie in ihrem Rucksack griff, an die Frechheiten ihrer Schwestern erinnert. Schade, dass sie keine gesalzene SMS an die beiden schicken konnte. Auf immer und ewig hätte sie ihnen die Schwesternschaft gekündigt. Zögernd fing sie an, in ihren Sachen zu wühlen. Vielleicht lag obendrauf noch ein Paar Socken? Und blöderweise stand Luca immer noch neben ihr, um auf sie zu warten. Das war ihr ziemlich peinlich. Warum konnte er nicht einfach wie die anderen zum Essen gehen?
»Ich muss doch nur noch meine …«, fing sie an. Ah, da war die Schachtel! Bloß nichts anmerken lassen. Konzentriert tastete sie sich weiter. Weich, trocken und warm? Das mussten die Ersatzsocken sein. Sie warf Luca einen nervösen Blick zu, der ungerührt an der dunklen Holzwand lehnte und jedem ihrer Handgriffe folgte. Gab es nichts Spannenderes, als ihr beim Umziehen zuzuschauen? Er machte sie ganz hibbelig mit seiner Gegenwart.
»Echt jetzt, du brauchst nicht auf mich zu warten. Ich habe Hunger und das macht mörderisch schlechte Laune. Genauso wie blöde Fotos übrigens.« Und genauso wie Kondome, Theresa und Jungs, die nicht wissen, wann man Mädchen in Ruhe in ihrer Tasche kramen lassen muss, fügte sie im Stillen hinzu.
»Weißt du, Theresa wird sich wieder beruhigen. Ich habe ein paar Fotos gemacht, auf denen sie dich regelrecht sehnsüchtig angeschaut hat.« Also, was ging Luca die Sache zwischen Theresa und ihr an? Gar nichts! Außerdem kannte Theresa nur ein Ziel für ihre Sehnsucht: Toni.
»Was verstehst du denn schon davon? Theresa und ich sind seit Jahren Freundinnen, natürlich ändert daran so ein kleiner Streit nichts.« Oder doch? Nagte da etwa ein winziger Zweifel in ihr? Langsam wurde Sara wirklich unsicher. War Theresa jetzt mit Jenny, Marisa und Sofia befreundet und nicht mehr mit ihr? Konnte man eine Freundschaft zur Seite legen wie klamme Socken und sich einfach neue anziehen?
»Fertig«, sagte sie schließlich, erleichtert, das Thema wechseln zu können. »Lass uns zu den anderen gehen.«
»Also«, fing er schon wieder an, »ich meine, ihr seid befreundet, und nur, weil sich die Mädchen wegen Toni zu Idioten machen, stehst du jetzt allein da.«
»Ich habe ja noch Nele«, schnappte Sara, »von allein kann also keine Rede sein.«
»Hey, schon gut, ich wollte doch nur sagen, ich finde es toll, dass du nicht wie die anderen bist, und ich bin ja auch noch da.« Lucas Mundwinkel zuckten unmerklich nach oben, als würde er ein Lächeln unterdrücken, dann drehte er sich schnell um und verschwand endlich in der Gaststube.
»Hey«, rief sie ihm nach. »Was, bitte schön, meinst du damit?«
»Genau das, was ich gesagt habe!«, tönte es undeutlich zurück. »Und komm endlich.«
Sara blieb mit offenem Mund zurück. Erst Andeutungen machen und dann einfach verschwinden. Großartig! Natürlich war sie nicht wie die anderen, aber ob das wirklich toll war? Glücklich machte es sie jedenfalls nicht. Und wieso betonte Luca, er sei auch noch da? Den ganzen Tag waren sie zusammen gewesen, ja und? Sie schüttelte den Kopf. Mit leerem Magen konnte sie nicht nachdenken und würde das Rätsel nie lösen.
Einige Stunden später lag Sara eingequetscht zwischen Ina und Marisa auf dem Boden und konnte unmöglich einschlafen. Aus Platzmangel teilten sich sämtliche Mädchen ein Zimmer, das eigentlich nur für zwei Personen gedacht war.
Sara lauschte in die Dunkelheit. Wie spät es wohl sein mochte? Marisa, die sich eine gesalzene Erkältung eingefangen hatte, schnarchte neben ihr wie eine ganze Hundefamilie. Sara stupste sie an, in der Hoffnung, dass sie sich auf die andere Seite drehte und das Geräusch einstellen würde. Unerträglich. Da blieb nur noch die Flucht. Doch wohin?
Im dem Augenblick, als
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