Rebella - Alpenblues & Huettenflirt
riss die Augen auf und hoffte, dass der frostige Wind ihre aufsteigenden Tränen trocknen oder zumindest in Eis verwandeln würde. Wie sie es hasste, ihm wehzutun. Und wie Luca sie jetzt ansah! Völlig entgeistert und geschockt. Gekränkt. Verflixt, es war so ungerecht! Was konnte sie denn dafür, dass hier alle verrücktspielten! Sie sprang auf und starrte der Gruppe um Toni entgegen, da sie Lucas Anblick nicht mehr ertrug.
Sofia sah gar nicht so leidend aus, sondern glühte, als hätte ihr jemand ein fluoreszierendes Gebräu eingeflößt. Dagegen wirkte Theresa, als hätte jemand den Stöpsel gezogen, der ihr Blut im Körper hielt. Blass und kraftlos schlich sie als Letzte hinter dem schweißgebadeten Tim her. Fast war Sara erleichtert, Luca einfach stehen lassen zu können, und eilte Theresa entgegen. Streit hin oder her, Theresas Zustand ließ ihr keine andere Wahl. Es war ihre alleroberste Freundinnenpflicht, ihr jetzt beizustehen, denn Sofia hatte gerade die Ziellinie überquert, mit einem Hechtsprung sozusagen. Deren Verletzung stellte sich als ein heftig aufgeschlagenes Knie heraus, das bestimmt höllisch schmerzte. Trotzdem kam kein Klagelaut über Sofias Lippen, aber das lag wahrscheinlich an den Glückshormonen, die eben durch ihren Körper jagten.
»Na, Theresa, alles klar?« Autsch, etwas Besseres war Sara nicht eingefallen. Dabei hatte sie nur einen harmlosen Aufhänger für ein Gespräch gesucht, eine Friedenspfeife, die Theresa doch nicht ausschlagen konnte. Von wegen!
»Kümmere dich um deinen eigenen Dreck«, zischte Theresa. »Verarschen kann ich mich selbst.«
»Aber ich meine ja nur, ich wollte … Toni wollte nur helfen, das heißt ja nicht, dass er Sofia irgendwie mag oder so. Was hätte er denn sonst tun sollen?«, versuchte Sara zu beschwichtigen, aber Theresa biss um sich wie eine in die Enge getriebene Füchsin.
»Was verstehst du schon davon? Natürlich bedeutet es nichts. Sofia ist einfach eine blöde Schlampe mit viel zu viel Glück.«
»Also echt, Theresa, es ist doch kein Glück, sich die Beine aufzuschlagen. Das sieht die nächsten Tage bestimmt unappetitlich aus, von den Schmerzen ganz zu schweigen.«
»Ich sag doch, du hast keine Ahnung. Geh zurück zu deinem Luca und lass mich in Frieden.« Wütend stapfte Theresa davon und warf sich abseits ins Gras, ganz die verletzte, aber bis zum Äußersten entschlossene Kämpferin, die ihre Kräfte für die alles entscheidende Schlacht sammelte.
Da fiel Sara wieder Luca ein und sie blinzelte zu ihm hinüber. Er sah richtig fertig aus und sein Gesichtsausdruck ähnelte stark dem von Theresa. Noch jemand, den sie endgültig verprellt hatte. Ihr Weg war geradezu gepflastert mit verlorenen Freundschaften. Erst Theresa, dann Nele – wobei ihr die ja eher von Eric geklaut worden war – und jetzt Luca, den sie erst gefunden und nun wohl wieder verloren hatte. Jetzt stand sie hier und zwei beleidigte Rücken schrien ihr den Zorn förmlich entgegen. Na prima, sie sollte sich wirklich schleunigst ans Aufräumen in Sachen Freundschaften machen!
Sara schloss die Augen und genoss den sanften Wind, der ihr um die Haare strich. Wie ruhig es hier oben war! Auch wenn viele Stimmen um sie herum ihre Begeisterung für das atemberaubende Panorama mal andächtig flüsternd, mal laut schreiend kundtaten, Vögel kreischten oder der Wind rauschte, konnte man das nicht als Lärm bezeichnen. Sie kramte in ihrem Proviantbeutel nach einem belegten Brötchen. So viele Stullen wie hier hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht vertilgt. Auf jeder Hütte bekamen sie Brote und Obst mit auf den Weg und Wasser wurde an den Brunnen oder Quellen geholt.
Das Licht war so grell, dass Sara ihre Augen zusammenkneifen musste. Ohne Sonnenbrille war sie fast blind. Sara lehnte sich entspannt zurück, die Semmel in der Hand, als sie einen starken Windhauch neben sich spürte, ein Zerren zwischen ihren Fingern, ein ungeduldiges Krächzen, und weg war ihr Mittagsimbiss. Ungläubig starrte sie auf ihre leere Hand. »Hey, das ist ja wohl nicht zu fassen«, rief sie der unverschämten Bergdohle nach, die wie ein akkuschwacher Elektrohubschrauber immer wieder an Höhe verlor, neu aufstieg, wieder absackte und schließlich aufgab und die Beute in den Abgrund fallen ließ. »Das kommt davon, wenn die Gier größer ist als das Hirn«, murmelte Sara und schaute sich um, ob jemand ihr Unglück bemerkt hatte. Doch die meisten waren mit Urlaubsschnappschüssen vom Gipfelkreuz
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