Rebellen: Roman (German Edition)
Earp und verprügelst die Kleinen?«
Moppel fuhr herum und fixierte Paul mit seinen tief in den Fettpolstern liegenden Augen. »Willst du frech werden?«
Paul wich einen Schritt zurück. Wenn Moppel seine unschlagbare Taktik anwenden und einfach losrennen würde, um ihn umzuwerfen, konnte er ausweichen. Wie Cassius Clay.
Moppel ging einen Schritt vor, Paul wich einen zurück.
Peter nutzte die Gelegenheit und rannte weg.
Moppel ging noch einen Schritt vor. Paul einen zurück. Noch immer konnte er ausweichen, wenn Moppel plötzlich zu laufen anfing. Er ging einen Schritt nach links, um durch die große Tür nach außen gelangen zu können. Moppel merkte es und versperrte ihm mit zwei Schritten den Weg dorthin. Jetzt lag nur noch die große Eingangshalle hinter ihm. Paul ging einen Schritt zurück. Moppel folgte.
»Gleich haste ihn«, schrie Didi.
Moppel kam einen Schritt auf ihn zu.
Paul blieb stehen.
Moppel lächelte. Er machte noch einen Schritt. Und noch einen Schritt.
Paul zog die Pistole aus dem Hosenbund und richtete sie auf Moppel. »Bleib stehen.«
Moppel lachte: »Spielste jetzt John Wayne oder was?«
Er ging noch einen Schritt vorwärts und stand nun einen Meter vor ihm.
Paul spannte mit dem Daumen den Hahn. »Moppel, noch einen Schritt, und du hast ein Loch im Bauch.«
Moppel lachte und rannte los.
Paul drückte ab.
Der Schuss hatte ein handtellergroßes Loch in Moppels Bauch gerissen. Die Haut war vollständig verbrannt. Ein schönes Loch. Rohes Fleisch war zu sehen. Rot und verbrannt. Es stank, als hätte jemand gegrillt. Moppel verschwand für ein paar Tage auf den Krankenstock.
Er folgten Verhöre durch die Oberin, die »O«, wie sie von den Jugendlichen genannt wurde.
»Wo hast du die Pistole her?«
»Ich habe sie gefunden.«
»Das glaubst du ja selbst nicht.«
»Doch. Ich habe sie gefunden.«
»Wo?«
»Im Botanischen Garten.«
»Wo genau dort?«
»Ich weiß es nicht mehr genau. Aber ich kann Ihnen die Stelle zeigen.«
»Sitz nicht so verstockt da. Setz dich aufrecht.«
Er richtete sich langsam auf.
»Guck nicht auf den Boden. Kannst du mir nicht ins Gesicht sehen?«
Er richtete den Blick auf einen Punkt an der Wand direkt hinter dem Hinterkopf der »O«.
»Du wirst dich bei Moppel entschuldigen.«
»Nein.«
»Ich sperre dich so lange ein, bis du es dir anders überlegst.«
»Da können Sie mich lange einsperren.«
Hauptsache, sie sagen meiner Mutter nichts.
»Wir akzeptieren keine brutalen Kinder im Eisenbahn-Waisenhort, merk dir das ein für alle Mal.«
Da musste Paul lachen. Er wollte es nicht. Aber er konnte nicht anders. Er lachte laut und konnte gar nicht mehr aufhören.
Die »O« sah ihn eisern an. Noch nie hatte sie ein Kind ausgelacht. Auf diesen Bub musste man ein Auge haben. Sie verhängte unbegrenzten Stubenarrest; er durfte außer zum Schul- und Kirchenbesuch die Räume der Gruppe Wackenhut nicht verlassen.
Der Schuss änderte seinen Status im Heim über Nacht. Er war nun ein Held. Ein gefährlicher Schläger. Nicht besonders stark, aber äußerst brutal. Das bedeutete Anerkennung, Schulterklopfen, die Jüngeren bewunderten ihn, die Älteren ließen ihn in Ruhe. Auch Moppel machte einen großen Bogen um ihn, als er aus dem Krankenstock entlassen wurde.
Aber: Die Pistole war weg, und der Stubenarrest war lästig. Nachts kletterte er am Fallrohr der Regenrinne – inzwischen konnte er es vom Fensterbrett aus problemlos erreichen – hinunter ins Freie, aber er wusste nicht, was er nachts allein in Herdern anstellen sollte, und kletterte nach ein, zwei Stunden das Rohr wieder hinauf.
14. Alexander
Toni, die diplomierte Psychologin, war der unumstößlichen Ansicht, Maximilian und er hätten als Kinder um die Zuneigung des Vaters konkurriert, aber Maximilian habe es als Erstgeborener leichter gehabt, den Platz an dessen Seite zu erobern. Deshalb hätte Alexander einen anderen Weg wählen müssen, um die Aufmerksamkeit des Vaters zu gewinnen. Der sicherste Weg sei gewesen, sich mit einem Outlaw aus dem Waisenhaus zu verbünden, das der Vater so unpassend für die Gegend fand. Aufmerksamkeit durch Querulanz, gewissermaßen.
So ein Quatsch, dachte Alexander. Es ergab sich einfach so. Es gab keinen Plan. Außerdem konnte er sich nicht erinnern, jemals seinen Bruder beneidet zu haben. Sie waren einfach völlig verschieden. Maximilian arbeitete schon früh in der Firma mit. Seit Alexander sich erinnern konnte, schuftete sein Bruder in den Ferien irgendwo
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