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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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lernen, was ein Metaller braucht. Und der braucht in erster Linie Disziplin. Das könnt ihr euch heute schon merken: Metall lehrt Disziplin.«

    Paul starrte hinüber zu den Drehbänken, die wie urtümliche Geschöpfe aussahen, und ihm war es, als warteten sie auf ihn.
    »Und noch etwas«, sagte Eislinger. »Metaller tragen kurze Haare. Ich will nicht, dass eine Beatlesmähne in eine Drehbank kommt und euch skalpiert. Morgen will ich euch alle mit kurzen Haaren hier sehen.«
    Das fing ja gut an. Paul war wütend. Aber nach Feierabend ging er zum Friseur – wie die anderen Lehrlinge auch.
    Doch zunächst gab Eislinger jedem von ihnen ein Stück Stahl in Form eines U.
    »Zehn Zentimeter abfeilen.«
    Es gibt unterschiedliche Arten von Feilen. Schruppfeilen fürs Grobe. Schlichtfeilen für die Feinarbeit. Jetzt brauchten sie die Erstere. Eine Woche lang feilten sie, täglich acht Stunden, und nur hundertstel um hundertstel Zentimeter nahm der Stahl ab. Am Daumenballen, dort wo die Schruppfeile auflag, bildete sich an Pauls Hand die erste Blase, groß wie ein Groschen.
    Eislinger war zufrieden. »Metall lehrt Disziplin.«

    Nach Feierabend trafen sie sich. Paul schwang sich dann auf den Gepäcksitz von Alexanders Mofa, und sie fuhren auf Schleichwegen zum Münsterplatz, aßen ein Eis oder eine heiße rote Wurst. Hin und wieder stoppten sie vor dem geheimnisvollen Haus Habsburgerstraße 87. Immer, wenn dort eine Party stattfand, standen Dutzende von Mofas in dem verwilderten Garten.
    »Kannst du von deinen Alten nicht ein bisschen Geld abzocken, damit wir den Keller mal mieten können?«, fragte Paul.
    »Du ahnst nicht, wie geizig die sind. Lass uns erst mal fragen, was es kostet.«

    Einmal sahen sie, wie Strunz, der Lehrling aus dem zweiten Jahr, aus dem Haus kam und sich auf den Rücksitz eines Motorrads zwängte, das sofort losfuhr.
    »Den kenn ich. Der schafft auch beim Heppeler.« Paul nahm sich vor, ihn wegen des Kellers mal anzusprechen.

27. Alexander heute
    Als Alexander Tonis Praxis verließ und wieder auf die Kaiser-Joseph-Straße trat, sah er auf die Uhr: 14 Uhr 23. Er hatte wieder einmal nichts gesagt. Da steht er vor ihr, der wichtigsten Person in seinem Leben, und er redet nur Unsinn. Fünfzehn Minuten Unsinn. Sie wird sich fragen, was er gewollt hat, dachte er. Aber wie sollte er anfangen? Und wo?
    Noch zweieinhalb Stunden bis zu dem Termin in Essers Kanzlei. Er würde nicht mehr ins Büro gehen. In einer Viertelstunde würde der Produktionsleiter mit Beschaffungswünschen vor der Tür stehen, und danach hatte der Einkaufschef sich angemeldet. Mit beiden konnte er auch später reden.
    Alexander zog das Blackberry aus der Tasche und rief Frau Ballhaus an. Während er die Straße hinaufging, besprach er mit ihr die Terminverschiebung. Sie reagierte professionell wie immer. Er beschloss, ihr einen Strauß Frühlingsblumen zu kaufen, und vergaß es sofort wieder.
    Kurz darauf lenkte er den Porsche aus der Tiefgarage des Colombi und ließ sich vom Verkehr treiben. An der Ampel vor dem Stadttheater stoppte neben ihm ein silberner Polo, hinter dem Steuer eine junge Frau, blond, hübsch, jung, eine Studentin vermutlich. Das Fenster hatte sie heruntergekurbelt, er hörte die helle Stimme von Katie Melua oder Norah Jones zu sich herüberwehen, sah, wie die junge Frau mit beiden Daumen den Takt auf dem Lenkrad schlug. Sie schautezu ihm herüber. Sah wieder weg. Wendete den Kopf noch einmal. Einen Herzschlag lang sahen sie sich in die Augen, dann wandte die Frau den Blick wieder nach vorne, und Alexander schien es, als lächelte sie.
    Was mag die Frau gesehen haben, als sie ihn anschaute?
    Die Ampel schaltete auf Grün. Er gab Gas. Der Porsche schoss an dem Polo vorbei, und als er an der nächsten roten Ampel bremste, war es nicht mehr die junge Blonde, die neben ihm hielt, sondern der weiße Transporter einer Installationsfirma.
    Er steuerte seinen Wagen in Richtung Günterstal, dann die breite Straße hinauf zum Schauinsland. Mit der linken Hand kramte er im Ablagefach der Fahrertür nach einer CD . Er fand eine, die seiner Frau gehörte: Leonard Cohen, natürlich. Er steckte sie zurück, suchte weiter und fand die richtige: Stripped von den Stones. Mit der Linken steuerte er den Wagen, mit der Rechten fingerte er die Silberscheibe aus der Plastikhülle, schob sie in den Schlitz der Anlage, schlug mit dem Fuß den zu erwartenden Takt und fühlte sich nach dem ersten rauen Akkord von Keith Richards tatsächlich

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