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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Unterschrift unter einen zwanzigseitigen Vertrag. Nun waren sie persönlich verbunden, und zwar enger, als eine Blutsbrüderschaft es je vermocht hätte.
    Was wissen die Feministinnen, die ahnungslos eine Quotierung in den Chefetagen verlangen, von den Geheimnissen des Vertriebs. Den Ritualen. Nichts! Ist ihnen nicht klar, dass bei jedem Abschluss von gewisser Größe dezent ein zweiter Hotelschlüssel auf den Kunden wartet?
    Die Nutte ist ein wirksames incentive. Effektiver als eine Finnlandreise. Und billiger. Das Ficken auf Spesenrechnung ist ein normales, ein erprobtes Geschäftsmodell. Nutten werden in Hundertschaften zur Automobilmesse eingeflogen, werden von Betriebsärzten untersucht, über internationale Agenturen gebucht und von Vertriebsprofis ausgesucht. Es ist Routine.
    Das alles müsste Toni wissen. Sie hatte doch gelesen, dass Volkswagen über die Mösen von brasilianischen Nutten Einfluss auf die Entscheidungen ihres Betriebsrats nahm. Sie kannte den Namen des Personalvorstands, der dem Betriebsratsvorsitzenden die Nutten zugeführt hatte. Sie hatteihn doch damals gefragt, mit der aufgeschlagenen Süddeutschen in der Hand.
    »Alexander, wie nennt man eine Person, die anderen Männer Huren zuführt?«
    »Zuhälter«, hatte er gesagt und nicht einmal von den Papieren aufgeschaut, die er gerade las.
    »Und warum nennt die Regierung dieses schreckliche Programm dann nicht Zuhälter IV ?«
    Er wollte nicht mit ihr diskutieren. Also schwieg er.
    »Oder Hurenbock IV «, schlug sie vor.
    Er mochte diese Gespräche nicht. Überideologisierte Gespräche mochte er nicht mehr. Er war Realist. Er regte sich nicht über Dinge auf, die er nicht ändern konnte. Aber der Realist hat schlechte Karten. Sollte er sie fragen, wie mit Frauen im Vorstand ein Bordellbesuch in Odessa ablaufen würde? Hätte sie den Auftrag bekommen? Hätte sie die vier Millionen mit ihrem Feminismus reingeholt?
    Frauen im Vorstand ruinieren ein eingefahrenes Geschäftsmodell. Sie machen die Firma kaputt. Immerhin, er hatte aus dem Odessa-Auftrag gelernt, Konsequenzen gezogen. Er hatte keine Lust mehr auf geschäftliche Bordellbesuche. Er war Toni treu. Er stellte für diese Art von Verhandlungen einen Vertriebsvorstand ein.
    So ist das Leben. Ich habe es nicht erfunden, Toni. Ich kann es auch nicht ändern.
    Und, Paul, ich habe viel geändert, aber für manches reichen meine Kräfte nicht. Ich renne nicht mehr gegen Dinge an, die außerhalb meiner Möglichkeiten liegen. Wir wollten die Gesellschaft einmal umstülpen. Das haben wir nicht geschafft. Zum Glück nicht. Aber immerhin: Wir haben die Bigotterie zum Aussterben gebracht. Wir haben Luft in eine Gesellschaft gebracht, die uns diese Luft zum Atmen nehmen wollte. Wir haben uns selbst vor dem Ersticken gerettet. Und viele andere mit. Ist das gar nichts? Wir haben unserenKampf gewonnen. Er ist vorbei. Ich hab das gewusst, als ich einmal in einem Aufzug das James-Last-Orchester hörte, wie sie I Can’t Get No Satisfaction nachspielten. Kann man es dabei nicht belassen? Muss man weiter träumen und immer weiter träumen und mehr verlangen?
    Und müsst ihr, Toni und Paul, immer ausgerechnet die Dinge revolutionieren, von denen ihr keine Ahnung habt?

25. Toni
    Alexander mag meine Praxis nicht. Ich glaube, sie ist ihm zu licht. Zu viel Holz, zu viel Stoff, zu viele Blumen, zu wenig Metall und zu wenig Leder. Er liebt es kühler. Außerdem verabscheut er die Mädchen, die hier ein und aus gehen. Magersüchtige sind nicht schön anzusehen, aber ich bin ihre Therapeutin. Ich helfe ihnen. Falls sie sich helfen lassen. Das ist mein Beruf. Mehr noch: Das bin ich.
    Julia, mein größtes Sorgenkind, lag gerade auf dem Boden des Therapieraums, als Sonja mir die Meldung aufs Handy schickte, Alexander sitze im Wartezimmer. Ziemlich ungeduldig sei er. Julia, sechzehn Jahre alt und 41 Kilo leicht, lag auf einer großen Papierbahn, dem Rest einer Zeitungspapierrolle, die ich mir regelmäßig von der Badischen Zeitung besorge. Ich bat Julia, mit einem schwarzen Filzstift die Konturen ihres Körpers nachzufahren. Sie konnte es nicht. Als wäre sie von außen gesteuert, ließ sie mehr als eine Handbreit Raum zwischen sich und der Linie, die sie zeichnete. Sie malte sich gesund. Ich zeigte ihr den Unterschied, um ihr zu verdeutlichen, dass sie das Gefühl für ihren eigenen Körper verloren hatte. Für einen kleinen Augenblick gelang es mir, sie zum Nachdenken zu bringen. Dann aber schaute sie auf den Umriss,

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