Rebellen: Roman (German Edition)
Paul.
Dreißig Lehrlinge trafen sich im Nebenzimmer des Tennenbacher Hofes. Sogar von den kaufmännischen Lehrlingen erschienen fünf. Sie setzten sich an einen anderen Tisch, aber immerhin waren sie da. Strunz führte das Wort. Er sagte, man solle alle Forderungen sammeln, die die Jugendlichen gegenüber Heppeler aufzustellen hätten.
Es kam einiges zusammen:
Nicht mehr länger Einkaufsdienste machen
Erstattung des Fahrgeldes für Straßenbahn und Busse
Berichtshefte sind während der Arbeitszeit zu schreiben
Lehrlinge sind keine billigen Arbeitskräfte in der Montage
Elli, die Industriekauffrau lernte, sagte unter dem lauten Applaus aller, die kaufmännischen Lehrlinge wollten nicht länger allein für die Firmenablage schuften, keine Werbebriefe mehr zusammentragen müssen, die Mädchen wollten nicht länger als drei Wochen im Schreibbüro arbeiten.
Diese Forderungen wurden einstimmig aufgenommen.
»Übernahme der Essenskosten durch die Firma«, schlug Paul vor.
Das löste eine längere Diskussion aus. Einige meinten, das könne man nicht verlangen, weil sie ja sowieso essen müssten.
»Aber wovon werden wir denn hungrig?«, rief Strunz. »Wir werden doch hungrig, weil wir so viel arbeiten. Würden wir im Bett liegen, müssten wir nicht so viel essen.«
Das leuchtete allen ein.
Übernahme von 70 Prozent der Essenskosten wurde einstimmig beschlossen.
Wagner sorgte dafür, dass die IG Metall den Forderungs katalog der Heppeler-Lehrlinge zur Jugendvertreterwahl druckte.
Dann kam die Wahl; Strunz erhielt die meisten Stimmen, Paul wurde sein Stellvertreter. Von den kaufmännischen Lehrlingen wurde Elli gewählt.
»Gut gemacht«, sagte Mischa.
48. Paul
»Wenn die etwas Richtiges schaffen würden, dann bräuchten sie nicht zu demonstrieren.«
So hörte er es bei Heppeler. Jeden Tag.
Aber das passte nicht dazu, wie er die Studenten erlebte. Ihre ernsthaften Diskussionen über das richtige Leben, darüber, welche Rolle der Staat spielte, welche die Arbeiterklasse und welche sie selbst.
Nun wurden die revolutionären Lehrlinge, wie sie nun hießen, auch auf die Feste der Studenten in die Schwabentor-Kommune oder ins Ulrich-Zasius-Haus eingeladen. Und in den Keller vom Doc in der Habsburgerstraße. Keinen Gedanken verschwendeten sie mehr an die Kellermiete. Sie tanzten nicht, saßen herum, tranken, tranken viel und ließen sich bestaunen. Sie hörten Cream, King Crimson und das Endlosstück In-A-Gadda-Da-Vida.
Paul brachte Strunz mit zu solchen Feten.
Wahnsinn, wir sind hier die Kings.
Manuela, eine rothaarige Germanistin, war die Erste, die ihn mit in ihr Zimmer in der Guntramstraße nahm. Es war kalt, und sie brachte als Erstes den alten Ölofen auf Hochtouren, zog sich aus und kroch unter die Decke eines nicht sehr stabil wirkenden Bettes. Paul tat es ihr nach. Auf dem klammen Leintuch drückten sie sich aneinander, wärmten sich Bauch an Bauch, und Paul ließ seine Hände den glatten Mädchenrücken hinuntergleiten, die Pobacken umfassen, wieder zurückwandern, während ihre Hände das Gleiche taten. Als der Ölofen endlich seiner Pflicht nachkam und es ordentlich warm geworden war, kickte sie mit dem Fuß die Bettdecke auf den Fußboden, um ihn näher zu betrachten. Auch er schaute. Und so sah er zum ersten Mal diese rosa lockende Spalte, völlig unzureichend verdeckt von hellrotem Flaum. Diese Pracht; es sah viel aufregender aus, als er sich das ausgemalt hatte. Jetzt berühre ich zum ersten Mal eine Möse! So weich! So zart! Und feucht? Tatsächlich war sie auch das.
»Hast du keine Pariser dabei?«
»Ich? Äh, nein, hab ich nicht.«
»Dann wird nicht gevögelt. Nur fummeln. O. k.?«
Ja, ja, ja – er konnte sich an dem Bild – nur fünf Zentimeter vor seinen Augen – nicht sattsehen. Aber er wusste ja: Ich muss auch an die Befriedigung der Frau denken. Paul nahm einen Finger und suchte, erst viel zu weit oben – ach, so weit unten ist es –, fand und steckte den Zeigefinger hinein. In diese wunderbare Wärme. Er zog ihn wieder raus und schob ihn wieder tief ins Warme.
»Sag mal, hast du noch nie was von der Klitoris gehört?«
Schon wieder so ein Fremdwort.
Manuelas Vorstellungen von der Arbeiterklasse wurden wohl etwas enttäuscht in dieser Nacht. Aber Paul torkelte fassungslos vor Glück durch die kalte Nacht, nachdem sie ihn nach Hause geschickt hatte.
Doris, die draußen an der PH studierte, nahm ihren pädagogischen Auftrag ernster.
Guck mal hier.
Probier das.
Genau
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