Rebellen: Roman (German Edition)
verspreche ich dir, ich gehe nie wieder mit dir ins Bett.«
Er trat zur Seite. Sofort. Ich glaube, er überlegte gar nicht. Es war ihm anzusehen, dass er instinktiv handelte, das Herz führte das Kommando. Vielleicht auch der Schwanz. Oder beides. Jedenfalls war es spontan. Und deshalb ehrlich.
Meine Freundinnen stürmten das Mikro, aber ich blieb stehen, nahm Pauls Hand und führte ihn langsam aus dem ganzen Trubel heraus.
Wir gingen, ohne ein Wort zu sagen, zu ihm. Und alles war wie zuvor.
Offiziell war ich Alexanders Freundin, daran änderte sich nichts. Mit Paul hatte ich eine Art geheimer Zweierbeziehung. Aber ich dachte darüber nach, wie ich dies offen leben könnte. Geheimnistuerei war mir zuwider – eigentlich.
54. Alexander heute
Liebe auf den ersten Blick ist natürlich romantischer Quatsch.
Aber wie sollte er es anders nennen?
Niemals würde er das Bild vergessen: Toni kam aus dem psychologischen Institut, die Tür fiel hinter ihr ins Schloss, und sie blinzelte, weil die Sonne sie blendete. Sie trug eine rote Jeans und ein dunkelblaues Shirt, große runde Ohrringe aus Silber. Ihre Figur zeichnete sich vor der schweren Holztür ab, das Licht fiel wie in einem Gemälde von Tizian. Sie hob die Hand, als sie ihn erkannte, und dann gingen sie gemeinsam hinüber ins Audimax. Das war der Tag, an dem Paul die denkwürdige Rede hielt.
Sie hielt während der Rede seine Hand. Und er hatte keinerlei Abwehrkräfte.
Alles dauerte nur zwei Stunden, aber in dieser Zeitspanne entschied sich sein Schicksal.
Er ging steif neben ihr her, sie war begeistert von Paul. Wie alle damals begeistert waren von Paul. Verfluchter Paul. Alexander gab an. Er kenne Paul. Klar, er würde sie mitnehmen zu ihm. Paul sei immerhin sein bester Freund. An diesem Tag hätte er ihn auf den Mond schießen können.
»Paul, eine Frau möchte dich kennenlernen. Es ist so: Ich finde sie verdammt gut. Kannst du mir versprechen, die Finger von ihr zu lassen?«
»Wie sieht sie denn aus?«
»Paul, es ist völlig egal, wie sie aussieht. Mir ist es ernst. Sie heißt Toni. Psychologiestudentin. Weiß der Teufel, was sie an dir findet, ich bringe sie mit zu dir in die Hildastraße, und du lässt einfach die Finger von ihr. Versprichst du mir das?«
»Wir sind doch für die freie Liebe, oder?«
»Scheiß auf die freie Liebe. Zumindest in diesem Fall. Wenn du es mir nicht versprichst, bringe ich sie nicht mit. Aber das würde mich in die Bredouille bringen.«
»Die Frauen entscheiden, zu wem sie gehen. Wenn sie sich für mich entscheidet …«
»Paul, lass den Quatsch, es ist ernst. Richtig ernst. Ich bitte dich zum ersten Mal um etwas. Um etwas, was für mich wichtig ist. Als Freund. Gib mir deine Hand, versprich es.«
Widerwillig reichte ihm Paul die Hand.
Selbst jetzt, nach so vielen Jahren, erinnerte sich Alexander gut an diesen Abend. Toni klingelte in seiner Bude in der Salzstraße. »Ich warte unten«, rief sie gut gelaunt durchs Treppenhaus, und Frau Daus streckte sofort ihren schweren Kopf aus der Tür. Er zog sich schnell einen Mantel über und ging die Stufen hinunter auf die Straße, wo Toni, von einem Fuß auf den anderen tretend, in der Kälte stand.
Seine Stimmung sank, als sie ihn unterwegs über Paul aushorchte. Wie sie sich kennengelernt hatten? Welche Filme Paul am liebsten sehe? Wie er so sei?
»Wie meinst du das?«
»Ganz allgemein, was für ein Typ ist er so.«
Er erinnerte sich, wie sie im Audimax seine Hand gehalten hatte. Diese Vertrautheit war verflogen. Missmutig lief er neben ihr her. Fast war er froh, dass es nicht allzu weit bis zu Pauls Wohnung war. Sie klingelten, und Paul öffnete.
Er hatte nichts vorbereitet! Er hatte weder die Kartoffeln geschält noch irgendetwas getan. Er hatte auf der Couch gelegen und Clausewitz’ »Vom Kriege« gelesen.
Toni nahm das Buch in die Hand, sagte: »Hui, schwere Kost«, und legte es wieder hin.
Paul lachte und grinste sie dann an. Unverfroren und interessiert. Dann erzählte er von Clausewitz’ Buch. Der Rückzug sei das militärisch Schwierigste, das sei doch überraschend.
Alexander genierte sich wegen Pauls Unaufmerksamkeit. So empfing man keine Frau wie Toni. Ein Gespräch über Militärtheorien! Aber ihr schien das nichts auszumachen. Ihre gute Laune schien unerschütterlich, und Alexander ärgerte das.
Paul setzte dann einen Topf mit Wasser auf und putzte die Kartoffeln. Toni schnitt die Zwiebeln und die Tomaten. Alexander kam sich ausgeschlossen vor, und
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