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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Männer auf der Bühne, die so innig miteinander spielten, die Übergänge so fließend gestalteten, die einander so aufmerksam lauschten und so intim miteinander musizierten. Ich heulte Rotz und Wasser und verschmierte Pauls Pullover, weil ich meinen Kopf an seine Brust drückte.
    Alexander fühlte sich in dem Klub unwohl. Er fand, man saß zu eng aufeinander. Ihn störte es, dass während desKonzerts Getränke serviert wurden. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her, klatschte nur mir zuliebe am Schluss, aber ich sah ihm an, er wünschte sich insgeheim, dass die Musiker keine Zugabe spielten.
    Und ich war unglücklich, dass ihm dieses Paris nicht gefiel.
    Ich hätte gerne einen Mann gehabt, der eine ideale Mischung aus meinen beiden Männern gewesen wäre.
    Aber ich konnte aus Alexander keinen Paul machen. Und aus Paul keinen Alexander.
    Irgendwann war es mir klar: Das Schicksal, falls es so etwas gab, hatte für mich zwei Männer vorgesehen. Für manche Frauen gab es den einen Mann fürs Leben, für mich gab es zwei. Sobald ich dies begriffen hatte, ging es mir besser. Und nie wieder führte ich Alexander in einen Jazzklub oder Paul ins Café de la Paix.

63. Alexander heute
    Dr. Alexander Helmholtz betrat die Anwaltspraxis von Dr. Esser zehn Minuten vor fünf. Eine freundliche Assistentin führte ihn in einen hellen Besucherraum und brachte ihm eine Tasse Kaffee.
    »Dr. Esser ist gleich bei Ihnen.«
    Dann ließ sie ihn allein.
    Wie lang das alles her ist? Und trotzdem: Die Erinnerung war frisch, als seien nicht Jahrzehnte verstrichen. Er sah Paul vor sich, wie er an seinem Schreibtisch in der Hildastraße saß und mit sorgfältiger Schrift die Erlebnisse des Tages in den Heften mit dem braunen Umschlag aufschrieb.
    Er selbst hatte nie Tagebuch geführt, er brauchte es nicht, um sich zu erinnern.
    Der Tag, als sein Vater starb. Vater hatte sich unwohl gefühlt, und Frau Ballhaus, die damals bereits dessen Büro organisierte und die sein leichenblasses Gesicht beunruhigend fand, bestand darauf, dass er entweder sofort einen Arzt rief oder nach Hause fuhr, um sich auszuruhen. Der Vater hatte nur gelacht, aber sie war hartnäckig, und er hatte das kleinere Übel gewählt und war nach Hause gefahren. Die Mutter war in Sorge, denn noch nie hatte ihr Mann vorzeitig das Büro verlassen. Er legte sich aufs Bett, und sie rief den Hausarzt an. Als er kam, war Vater schon tot.
    Alexander Helmholtz erinnerte sich, wie erschüttert seineMutter gewesen war, aber auch wie ruhig, trotz der Trauer. Noch am Abend hatte sie Maximilian und ihn in Vaters Arbeitszimmer gerufen.
    »Trotz allem«, sagte sie, »müssen wir uns um die Firma kümmern. Die Firma ernährt uns. Maximilian wird ab sofort die Leitung der Firma übernehmen.«
    Alexander Helmholtz erinnerte sich, wie sein Bruder sich um einige Zentimeter streckte und »Selbstverständlich, Mutter« flüsterte.
    »Du brauchst nicht zu flüstern«, sagte die Mutter.
    Dann wandte sie sich ihm zu. »Ich weiß, dass du dich nicht für die Firma interessierst. Das hast du nie getan. Trotzdem möchte ich, dass du …«
    »Mutter, ich bin Revolutionär. Ich kann nicht …«
    »Du bist auch ein Helmholtz.«
    Schweigen.
    Sie fingerte eine Lord Extra aus der Schachtel. Maximilian bückte sich rasch und griff nach dem silbernen Feuerzeug, schnappte den Verschluss auf, drehte an dem kleinen Rad und reichte ihr Feuer. Sie schüttelte den Kopf.
    »Alexander, ich will nicht viel von dir. Ich will deine Meinung hören. Mehr nicht. Ich glaube, das bist du deinem toten Vater schuldig. Bilde dir eine Meinung über die Firma, bilde sie dir gründlich und sag mir, was du denkst.«
    Er schwieg.
    »Ist das zu viel verlangt?«
    Das war es sicher nicht. Alexander wusste es. Mutter wusste es. Es war wirklich nicht viel verlangt.
    Er sah, wie Maximilian tief Luft holte. »Alexander kann sich keine Meinung bilden. Er hat keine Ahnung. Er findet nicht einmal den Weg ins Büro.«
    »Nein, das ist nicht zu viel verlangt.«
    »Gut«, sagte Mutter und beugte den Kopf leicht in Maximilians Richtung. »Jetzt kannst du mir Feuer geben.«

64. Toni
    Auf der Beerdigung von Alexanders Vater traf ich zum ersten Mal seine Familie, die harte Mutter, die ihre beiden Söhne eisern im Griff hatte. Auch Alexander. Sie musterte mich mit einem Blick, der mich ihrer andauernden Feindschaft versicherte. Im Grunde hasst sie mich noch heute. Sie liebt ihre Enkel, aber mich hasst sie. Sie sah in mir den Grund für Alexanders Liebe

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