Rebellin der Leidenschaft
liebevoll einen Arm um die Schulter. »Ich fürchte, ich kann einfach nicht mehr länger warten«, sagte der Herzog.
22
Nicole verließ das Haus der Lindleys sofort; sie bat die Serles, die ebenfalls gerade aufbrachen, sie mitzunehmen. Die Begegnung mit Hadrian quälte sie, und sie wusste, dass man ihr das ansah. Martha hätte ihr jedoch nie in Gegenwart ihres Mannes Fragen gestellt, und darauf baute Nicole. Als die Kutsche am Tavistock Square anhielt, sprang sie rasch heraus, murmelte ein Dankeschön und lief ins Haus. Dort angekommen, musste sie sich nicht mehr verstellen. Aldric blickte offen besorgt, als er sie durch das Foyer eilen sah. »Mylady«, rief er ihr nach, »ist alles in Ordnung?«
»Nein, Aldric«, erwiderte sie, während sie bereits die Treppe hinaufrannte, »nichts ist in Ordnung!«
Ihr Zimmer war kein wirklicher Zufluchtsort. Nur wenige Minuten später hörte sie draußen auf dem Flur ihre Eltern und Regina, die sich eine gute Nacht wünschten. Nicole schaltete rasch das Licht aus in der Hoffnung, ungestört zu bleiben. Sie hörte, wie die Eltern den Flur hinuntergingen. Doch im nächsten Augenblick klopfte es wild an ihre Tür. Sie stöhnte. Inzwischen litt sie auch unter heftigen Kopfschmerzen.
Regina wartete gar nicht erst auf die Aufforderung ihrer Schwester, einzutreten, und schaltete auch sofort das Licht wieder ein.
»Du schaust drein, als ob jemand gestorben wäre!«, legte sie los, kaum dass sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Ist das wirklich wahr? Ist es wahr, dass du seine Frau wirst? Mehrere Leute fragten mich, gleich nachdem du gegangen warst! Sie erzählten, er habe gesagt, dass ihr beide verlobt seid! Nicole! Wirst du die nächste Herzogin von Clayborough?«
»Bitte.« Ihre Kopfschmerzen wurden stärker.
»Oh Gott, es stimmt also!«, rief Regina entzückt. »Was ist passiert? Ich dachte, du hast ihm einen Korb gegeben!«
»Habe ich auch!«, erwiderte Nicole ärgerlich. »Aber er ging zu Vater, dieser Schuft. Und der hat seinen Antrag angenommen, ohne mich zu fragen!«
»Das ist wunderbar!« Regina strahlte.
»Ich werde ihn nicht heiraten!«
Reginas Lächeln verschwand. »Ich hoffe, du meinst das nicht ernst.«
Nicole warf einen düsteren Blick auf sie.
»Vater hat es arrangiert! Er ist der Herzog von Clayborough! Was hast du denn bloß? Du hast mir doch selbst gesagt, dass du verrückt nach ihm bist!«
Nicole wusste inzwischen längst nicht mehr, welche Gefühle sie für Hadrian Braxton-Lowell hegte, wenngleich sie sehr argwöhnte, dass sie sich ins Gegenteil verkehrt hatten. »Nicht mehr. Das ist vorbei.«
»Wenn du ihn nicht heiratest, dann bist du eine Närrin.«
»Dann bin ich eben eine Närrin!«
Regina schnaubte wütend und ballte die Fäuste. »Du wirst also dagegen ankämpfen, habe ich Recht? Du lehnst dich gegen Vater auf - ist es so?«
»Ja. Aber wieso ärgert dich das?«
»Warum mich das ärgert?« Regina sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. »Also gut, Nicole, ich sage es dir, warum. Weil du gottverdammt egoistisch bist, darum!«
Nicole hatte ihre Schwester noch nie fluchen gehört; sie war entsetzt.
»Ich bin egoistisch?«
»Ich habe mich bisher nie beklagt. Aber wenn du nicht wärst, dann wäre ich schon längst verheiratet! Verdammt noch mal! Ich bin jetzt fast neunzehn, und sie wollen mich noch immer nicht heiraten lassen, bloß weil sie hoffen, dass du eines Tages ein Angebot bekommst und vor mir heiraten kannst. Und jetzt hast du eines - und noch dazu so ein gutes! -, aber du bist einfach zu dumm, um ein bisschen Vernunft zu zeigen! Und ich bin es absolut leid, eine alte Jungfer zu sein! Verdammt noch mal, verdammt!«
Regina war so außer sich, dass sie fast zu weinen begann. Nicole war bestürzt; sie hatte keine Ahnung gehabt, dass sich ihre Schwester so quälte. »Bitte, versuche mich doch zu verstehen! Ich kann ihn nicht heiraten, ich kann es nicht.«
»Nein, ich verstehe dich nicht - nie werde ich das verstehen! Du bist egoistisch und stur und schlicht und einfach nur dumm!« Regina rannte aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
Nicole zitterte. Ihre Schwester und sie waren sich sehr nahe. Obwohl sie sich schon oft gestritten hatten, war es zwischen ihnen noch nie zu einer solchen Auseinandersetzung gekommen. Wie lange mochte Regina schon so empfinden? Seit wann machte sie Nicole dafür verantwortlich, dass sie mit dem Heiraten warten musste? Plötzlich hatte Nicole das Gefühl, dass ihre Schwester
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