Rebellin der Leidenschaft
weil sie unkeusch gewesen war, sie hatte nicht mit ihm gesprochen, seit er diese Hochzeit arrangiert hatte. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. »Vater ...»
»Ich liebe dich sehr, Nicole. Glaub mir, ich habe lange hin und her überlegt, ob ich das Richtige getan habe, als ich Hadrians Antrag akzeptierte. Und ich bin überzeugt, dass ich das Richtige getan habe. Bitte vergib mir, dass ich getan habe, was ich als das Beste für dich erachte.«
Sie konnte diese Auseinandersetzung mit ihm nicht fortsetzen, nicht hier, nicht jetzt, nicht an ihrem Hochzeitstag. Sie trat auf ihn zu, beseelt von dem Wunsch, wieder seine Tochter zu sein -doch die Wunde, die er ihr zugefügt hatte, wollte nicht verschwinden. Sie blickte auf ihn, sie wollte ihm so vieles sagen, sie wollte ihn fragen, wie er ihr das antun konnte, sie wollte ihm sagen, dass sie ihm vergab - dass sie ihn liebte. Sie öffnete den Mund, um zu sprechen, sie sah die Hoffnung in seinen Augen. Doch sie brachte kein Wort heraus.
Der Hochzeitsmarsch begann.
Sie blickten einander sehr lange in die Augen. Dann bot Nicholas ihr feierlich seinen Arm. Unfähig, überhaupt noch irgendetwas zu sagen, nahm Nicole ihn.
27
Der Herzog von Clayborough war wütend, auch wenn er sich zu beherrschen versuchte. Es war jedoch unwahrscheinlich, dass seine Gäste es nicht merkten. Und wenn seine Braut weiterhin so offen ihre böse Gesinnung gegen ihn zur Schau stellte, so dachte er, dann konnte er gesellschaftliche Auftritte und all das Gute, das er die letzten anderthalb Wochen getan hatte, auch vergessen und sie in aller Öffentlichkeit strangulieren. Sie befanden sich auf dem Empfang in seiner Residenz am Cavendish Square; wegen der großen Zahl der zur Hochzeit geladenen Gäste fand sie dort statt.
Es hätte eine schöne Zeremonie werden können. Die Kathedrale war ein imposantes architektonisches Kunstwerk und groß genug, um die tausend Gäste aufzunehmen. Und Nicole war in ihrem silbernen Kleid eine hinreißende Braut gewesen -aber auch eine extrem zornige.
Ihr Schleier war durchsichtig, fein aus silbernem Tüll gewebt, und er verbarg nichts. Ihr Gesichtsausdruck - ihr Zorn - war für alle offensichtlich gewesen. Sie hatte nicht den leisesten Versuch unternommen, wie eine glückliche Braut zu wirken; eher schien genau das Gegenteil zutreffend zu sein.
Sobald Hadrian sah, wie sie ihm entgegenkam, war er empfindungslos und wie betäubt geworden. Doch in seinem Innersten waren die heftigsten Gefühle aufgestiegen, die er je gespürt hatte, und für einen Augenblick, in dem sein Herz stillzustehen schien, hatte er gewusst, dass er sie irgendwie liebte.
Doch dieser Augenblick war rasch vorüber. Je näher sie kam, desto beredter wurden ihre Miene und ihr wunderschönes, dunkles Gesicht mit den glänzenden Augen. Man konnte ihre Gefühle nicht missdeuten. Sie wagte es, ihn zu demütigen - vor tausend Gästen.
Sie blickte ihn nicht an, während sie auf ihn zuschritt. Sie hielt störrisch den Kopf hoch, die Lippen fest aufeinander gepresst.
Auch als sie dann vor dem Altar neben ihm stand, würdigte sie ihn keines Blickes. Als sie das Ehegelübde sprechen sollte, war sie zunächst stumm geblieben. Hadrian hatte ihre Hand ergriffen und sehr, sehr fest gedrückt - eine Warnung, dass er sie zu seinem Willen zwingen würde, selbst wenn sie dumm genug sein sollte, ihr Schauspiel noch weiter zu treiben. Schließlich und zu seiner großen Erleichterung hatte sie dann gesprochen. Aber es war zu spät gewesen, um seinen Zorn noch zu beschwichtigen.
Jetzt waren sie Mann und Frau.
Und es gab nicht einen Menschen in Clayborough House, der nicht mitbekommen hätte, dass die Braut, um es milde auszudrücken, sehr widerspenstig war.
Das höfliche Lächeln des Herzogs war längst auf der Strecke geblieben; an seine Stelle war eine kalte, starre und unnachgiebige Maske getreten. Er hatte genug. Es war ihm gleichgültig, dass sie auf ihrem eigenen Empfang gerade einmal eine Stunde verbracht hatten. Je länger er neben seiner Braut mit ihrem versteinerten Gesicht saß, die weder aß noch trank und sich sogar weigerte, mit den Gästen zu sprechen, desto gefährlicher wurde sein Zorn. Dabei versuchte er alles, um ihn zu bändigen.
»Wir gehen«, befahl er ihr abrupt.
»Jetzt?«
»Jetzt. Sofort.« Er stand auf, und da er ihre Hand hielt, zog er sie mit hoch.
»Dann lass mich zum Umziehen gehen.«
»Plötzlich an Anstandsformen interessiert? Das kommt ein bisschen spät, meinen Sie
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