Rebellin der Leidenschaft
so stark und dynamisch war wie ihr Sohn. Wenn da nicht Elizabeth gewesen wäre, hätte sie so einer Verbindung aus vollstem Herzen zugestimmt, Skandal hin oder her. Plötzlich bedauerte sie die Einladung, die sie heute Morgen verschickt hatte. Vielleicht war dies ein schrecklicher Fehler gewesen.
*
Spät am nächsten Tag kehrten der Graf und die Gräfin nach London zurück. Nicole war noch nicht abgereist, sie war noch immer hin- und hergerissen zwischen Dragmore, vor dem ihr inzwischen graute, und London, wo sie auf kaum mehr hoffen konnte als einen gelegentlichen flüchtigen Blick auf den Herzog. Nach dem Abendessen fragte die Gräfin, ob Nicole sie nicht auf einen kleinen Plausch in ihrer Suite besuchen wollte.
Nicole war oft mit ihrer Mutter zusammen, aber nicht am Abend und nicht in diesen Räumlichkeiten. Ihr war klar, dass ihre Mutter etwas besprechen wollte. Sie setzte sich auf eine kirschrote Ottomane vor dem Kamin und blickte Jane erwartungsvoll an.
Jane schenkte zwei Gläser Sherry ein und setzte sich neben sie auf einen kleinen gestreiften Zweisitzer. »Schätzchen, ich habe gehört, dass du dabei bist zu packen.«
Nicole nahm das angebotene Glas. »Ich hatte beschlossen, nach Dragmore zurückzukehren. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher.« Sie sah ihre Mutter an. Am liebsten hätte sie ihr alles anvertraut, aber sie wusste, dass dies unmöglich war.
»Ist es wegen des Herzogs von Clayborough?«, fragte ihre Mutter leise.
Nicole versuchte, nicht allzu hörbar einzuatmen.
»Ich habe gehört, was auf dem Wohltätigkeits-Picknick passiert ist«, sagte Jane und drückte die Hand ihrer Tochter.
»Ach, Mutter.« In Nicoles Hals hatte sich ein Kloß gebildet. Rasch wandte sie ihren Blick ab und starrte intensiv auf ihre verschränkten Hände.
»Vertraue dich mir an, mein Schatz!«
»Ich kann nicht.«
»Nichts, was du mir erzählst, könnte mich erschüttern. Außerdem weiß ich wohl ziemlich genau, was in dir vorgeht.«
Nicole brachte den Mut auf, ihre Mutter anzuschauen. Natürlich wäre Jane erschüttert, wenn sie erfahren würde, was zwischen ihrer Tochter und dem Herzog vorgefallen war. Nicole hatte eigentlich nicht beabsichtigt, es ihr zu gestehen, aber sie trug einfach zu schwer an ihrer Last. »Wahrscheinlich hast du Vater gegenüber dieselben Gefühle empfunden«, sagte sie unsicher. Sie war fassungslos über diese Worte, fassungslos, was sie enthüllten, und zwar nicht ihrer Mutter, sondern ihr selbst.
Jane war ebenfalls bestürzt, denn bis jetzt war sie nicht sicher gewesen, wie stark die Gefühle ihrer Tochter für den Herzog von Clayborough waren. »Ich bin deinem Vater weggelaufen«, sagte sie, was Nicole so überraschte, dass sie etwas von ihrem Sherry verschüttete. »Er hatte mich heiraten wollen, aber ich glaubte, er habe nur deshalb eingewilligt, weil er mich kompromittiert hatte.« Die ganze Wahrheit wollte sie ihrer Tochter nicht erzählen; sie hatte nämlich den Grafen verführt, indem sie in sein Bett gestiegen war, als er ziemlich betrunken gewesen war. »Ich liebte ihn so sehr, dass ich es nicht ertrug, seine Frau zu werden, wenn er mich nicht ebenso liebte.«
»Ich glaube, das kann ich verstehen.«
»Liebst du ihn? Denn Liebe war es, was ich für deinen Vater empfand, und zwar von unserer ersten Begegnung an.«
Nicole wandte sich ab und starrte ins Feuer. Lange saß sie schweigend da, sie hatte Angst zu antworten, sie hatte Angst vor ihrer Antwort. Schließlich sagte sie: »Er liebt mich nicht. Er liebt Elizabeth, sie ist freundlich und gut. Und ich mag sie inzwischen auch, obgleich ich sie anfangs hasste. Mich begehrt er nur.«
Jane runzelte die Stirn. »Die Liebe zwischen zwei Menschen ist ein seltenes, sehr kostbares Geschenk, Nicole. Selten und kostbar. Ich glaube, wenn er Elizabeth wirklich liebte, würde er dich nicht begehren. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Der Herzog ist ein Mann, der zu seinem Wort steht; er würde seine Verlobung nie lösen. Ich bin froh, dass du die Lage klar erkennst. Du bist jung und stark - ich weiß, dass du ihn vergessen kannst.«
Nicole wandte sich wieder zu ihrer Mutter. In ihren Augen standen Tränen. »Ich werde ihn nie vergessen, Mutter, niemals! Aber das spielt tatsächlich überhaupt keine Rolle.«
Jane stand auf und nahm ihre Tochter tröstend in die Arme, wie sie es so oft getan hatte, als diese noch ein Kind war. Erst als Nicole sich etwas gefasst hatte, setzte sie sich wieder. »Ich wünschte, ich könnte dir
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