Rebellin der Leidenschaft
auch gar nicht nötig. Elizabeth war einer der freundlichsten Menschen, denen Nicole je begegnet war. Selbst wenn Regina Recht hatte, selbst wenn der Herzog Elizabeth verlassen und sich für sie entscheiden würde, hätte es sich Nicole nie verzeihen können, der jungen Frau eine derartige Verletzung zugefügt zu haben. Für diese schreckliche Lage gab es keine glückliche Lösung, es gab nur die eine: Sie musste den Herzog von Clayborough vergessen.
Aber wie konnte man der Sonne entkommen?
Der Herzog trat mit wirrem Haar und gerötetem Gesicht - der Wind war recht frisch gewesen - in das Foyer seiner Londoner Residenz. Er hatte einen langen Morgenritt durch den Park und die Themse entlang unternommen. Er war geritten, als wären Dämonen hinter ihm her gewesen, hart, schnell und kühn, denn er hatte versucht, seinen Gedanken zu entkommen. Und es war ihm auch gelungen, denn er hatte sich ganz auf das Pferd konzentrieren müssen, das er sich ausgesucht hatte, einen besonders wilden, gefährlichen und unberechenbaren Hengst.
Er hatte noch nicht gefrühstückt, und im Speisesaal wartete ein Brunch mit geräuchertem Lachs und Renken auf ihn. Über die Herzoginwitwe, die ihn dort ebenfalls erwartete, wunderte er sich nicht, denn er hatte ihre Kutsche vor dem Anwesen stehen sehen. Normalerweise freute er sich über seine Mutter, nur heute nicht, weil er sich schon denken konnte, warum sie ihn besuchte.
Die schlechte Laune, die er neuerdings ständig hatte, verstärkte sich.
»Guten Morgen, Mutter«, sagte er, küsste ihr die Wange und setzte sich an den Tisch.
Isobel erwiderte seinen Gruß und schenkte ihm Tee ein, den er schwarz trank. »Gestern haben wir tausendfünfhundertachtundzwanzig Pfund eingenommen«, sagte sie beiläufig, doch ihr Blick verriet sie.
Hadrian lehnte sich zurück. »Inklusive meines Beitrags?«
Isobel sah ihn scharf an. »Jawohl.«
»Nur zu, ich weiß, dass du es kaum erwarten kannst, mir die Leviten zu lesen.«
»Ich weiß überhaupt nicht, ob ich das möchte«, sagte Isobel und musterte ihren Sohn eindringlich. »Ich fand ihre Nöte entsetzlich, und ich fand es toll, dass du sie gerettet hast. Andererseits ...«
Er zog eine Braue hoch.
»Hadrian, bitte sag mir, dass zwischen euch beiden nichts ist.«
»Findest du nicht«, sagte er entschlossen, »dass es sich nicht gehört, so etwas zwischen Mutter und Sohn zu erörtern?« »Da dein Vater tot ist, bleibt mir keine andere Wahl.«
»Man hat immer eine Wahl, Mutter.«
»Hadrian?«
»Ich habe versucht, Nicole Shelton vor weiterem Spott zu bewahren. Dabei sollten wir es belassen.«
Doch Isobel gab sich damit nicht zufrieden. »Elizabeth liebt dich, Hadrian.«
Er zuckte zusammen. »Und ich habe sie sehr gern, das habe ich mein Leben lang getan. Ich war bei ihrer Taufe, ich habe sie auf meinen Knien reiten lassen. Sobald sie laufen konnte, ist sie mir überallhin gefolgt. Ich werde unsere Verlobung nicht lösen, Mutter.«
Isobel wusste, dass es ihm ernst damit war. Aber seine Worte beschwichtigten ihre Ängste nicht. Sie wusste nur allzu gut, dass Herzensangelegenheiten ungeachtet möglicher Folgen ihre ganz eigenen Wege einschlagen konnten. Und sie hatte schreckliche Angst, dass das bei ihrem Sohn und Nicole Shelton passieren könnte.
Sie hatte weiß Gott nicht das Recht, über jemanden zu richten, denn einst war sie selbst einer solchen verbotenen Leidenschaft erlegen - auch wenn die Umstände damals völlig anders gewesen waren. Francis war ein grausamer, treuloser Gatte gewesen. Hadrians Worte unterbrachen ihre Gedanken. »Ich mache mir Sorgen um Elizabeth«, sagte er. »Ich bin jetzt davon überzeugt, dass sie krank ist, wie du ja schon bemerkt hast. Sie nimmt immer weiter ab und ermüdet zusehends schneller. Ich habe einen Arzt bestellt.«
»Ja, das ist sicher richtig«, sagte Isobel. »Weiß Elizabeth es schon?«
Der Herzog blickte sie finster an. »Ja, und diesmal hat sie nicht protestiert.«
Beide wussten, was das zu bedeuten hatte: Noch bis zu diesem Tag hatte Elizabeth beharrlich behauptet, es ginge ihr gut. Wenn sie jetzt einen Arzt akzeptierte, gab sie zu, dass etwas nicht stimmte.
Plötzlich musste Isobel an Nicole Shelton denken und daran, dass sie das genaue Gegenteil von Elizabeth war. Die beiden waren verschieden wie Tag und Nacht. Ja, sie konnte verstehen, dass Hadrian sich zu ihr hingezogen fühlte, denn Nicole war stark, intelligent, voller Leben und kerngesund - genau die richtige Partnerin für jemanden, der
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