Rebellin der Liebe
gefunden. Willow fragte sich, was Desmond tun würde, wenn er erwachte und das, abgesehen von dem Pelz, splitternackte Mädchen neben sich fände. Willow lächelte. Er hätte Glück, wenn er nicht vor lauter Entsetzen aus dem Bett purzelte.
Als sie nach Elsinore gekommen war, hatte sie die Kinder als Haufen gesichtsloser Gören angesehen, aber als sie jetzt ihre schlummernden Gesichter zärtlich betrachtete, wurde ihr klar, dass sie sie inzwischen besser kannte als je ihre eigenen Brüder und Schwestern in Bedlington.
Den schlaksigen Ennis, die Stimme der Vernunft, die ernste kleine Mary, die dauernd die Schattenseite aller Dinge sah, den großzügigen, gutherzigen Hammish, Edward, die Plaudertasche, Keil mit dem sonnengelben Haar, dem stets eine sarkastische Bemerkung auf den Lippen lag, die eigensinnige Mary Margaret, Meg und die Zwillinge, die mit ihren gepolsterten Gliedern und den Grübchen in den Wangen aussahen wie kleine Engel - und Desmond, immer noch ein Junge, aber auf der Schwelle zum Erwachsensein, der mit seinem ausgeprägten Beschützerinstinkt gegenüber seinen Geschwistern und seiner Liebe zu herrenlosen Tieren seinem Vater geradezu erschreckend ähnlich war.
Vielleicht wäre Willow achtlos an dem Kinderzimmer vorübergegangen, hätte sie nicht Fionas rasselndes Schnarchen durch die Tür gehört. Die alte Frau lag zusammengerollt auf einem schmalen Bett am Fußende einer Holzwiege, in der Peg und Mags, in ihren dicken Decken wie zwei wohlgenährte Wollschäfchen aussehend, nebeneinander schlummerten. Willow strich den beiden zärtlich über die weichen Wangen, ehe sie weiterschlich.
Sie hatte beinahe die Tür erreicht, als sie ein Geräusch -halb Wimmern, halb Glucksen - vernahm und sich noch einmal umdrehte. Auf dem Ofen stand ein kleiner Weidenkorb, in dem das neugeborene Baby lag. Ein Baby, das bald zu einem kräftigen kleinen Jungen heranwachsen würde, dachte Willow, einem Jungen, der niemals Hunger leiden würde und der niemals zitternd im Schnee kauern und mit ansehen müsste, wie seine Mutter starb.
Von einer plötzlichen, unerklärlichen Eile angetrieben, steckte Willow die Decke fester um das Kind und schlüpfte lautlos aus dem Raum. Sobald sie außer Hörweite des Kinderzimmers war, fing sie an zu rennen, stürzte atemlos die Treppe zu Bannors Turmzimmer hinauf und öffnete ohne anzuklopfen die Tür. Das Zimmer war verlassen, kein Feuer brannte im Kamin, die weiche Matratze wirkte unberührt, und ein Becher lag umgefallen auf dem Tisch, als hätte ihn jemand in einem Wutanfall dort hingeworfen.
Willow flog die Treppe hinunter in den großen Saal. Obwohl bereits der Hefeduft frisch gebackenen Brotes aus der Küche wehte, schliefen die meisten der Menschen, die Schutz vor dem Schneesturm gesucht hatten, immer noch den Rausch aus, der ihre Schädel dank des zur Feier der Ankunft von Lord Bannors jüngstem Sohn großzügig ausgeschenkten Biers hämmern ließ. Als Willow über einen der Akrobaten stolperte, hüllte sich dieser leise fluchend fester in seinen dünnen Umhang ein.
Sie stürmte in den menschenleeren Hof und wirbelte suchend herum. In diesem Augenblick erhob sich die Sonne am östlichen Horizont, sodass die plötzliche Helligkeit des Schnees sie blendete. Erst als Willow ihre Augen gegen das weiße Blitzen abschirmte, entdeckte sie die einsame Gestalt mit dem vom Wind ins Gesicht gepeitschten dunklen Haar, die reglos hoch oben auf der Brustwehr stand.
Als Willow endlich die Stufen erklommen hatte, schlug ihr, auch wenn ihr Atem wieder langsam ging, das Herz bis in den Hals.
Bannor hatte seine Hände auf die Steinmauer gestützt und blickte auf die verschneite Ebene hinaus. Er drehte sich nicht mal um, als das Knirschen ihrer Schuhe auf der Schneekruste an seine Ohren drang. »Ist Euch noch nicht der Gedanke gekommen«, fragte er, und seine Stimme war so hart wie die glitzernden Eiskristalle, die man auf den Ästen der Bäume sah, »dass ich mir vielleicht ebenfalls den Schmerz ersparen möchte, mich von einer dritten Frau zu verabschieden?«
Trotz der Kälte seiner Stimme wärmten Bannors Worte sie. Nie zuvor hatte er sie seine Frau genannt. »Und ist Euch noch nicht der Gedanke gekommen, Mylord«, antwortete sie, »dass ich Euch diesen Schmerz vielleicht ebenfalls ersparen will?«
»Offen gestanden nein.«
»Ich komme gerade aus dem Kinderzimmer.« Trotz seiner Abwehr trat sie dichter an ihn heran. »Euer jüngster Sohn hat inzwischen wieder Farbe im Gesicht. Dank Eurer
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