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Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Rebellin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce
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viele Entscheidungen getroffen. Die Entscheidungen, die ich mit ihm getroffen habe, sind zu lange her, um sie zu bereuen.«
    »Und was ist mit jetzt?«, fragte Raeburn, die Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »Werden Sie diese Entscheidung bereuen?« Seine Hand legte sich auf die Seide ihres Kleides und umfasste ihre Brust.
    Victoria stockte der Atem. »Fragen Sie mich in fünfzehn Jahren.«
    Der Herzog senkte den Mund auf ihren und machte ein weiteres Gespräch unnötig.
    Als sie sich schließlich voneinander lösten, nahm er ihre Hand, drückte sie und erhob sich mit einem Ausdruck in den Augen, den sie nicht enträtseln konnte. »Ich sehe Sie heute Abend.«
    Und dann war sie allein.
     
    Wieder schlug irgendwo eine Uhr neunmal, während Fane Victoria durch die hallenden Gänge führte. Doch diesmal ging es aufwärts, nicht abwärts. Die Räume, die sie durchquerten, erschienen ihr vage vertraut wie aus einem Traum oder einem anderen Leben, aber erst, als sie vor einer Tür am oberen Ende einer Wendeltreppe stand, wurde aus dem Verdacht Gewissheit.
    Das Turmzimmer.
    Sie kämpfte mit den verschiedensten Gefühlen – Enttäuschung, Resignation, freudige Erregung. Nach dem, was heute Nachmittag im Einhorn-Zimmer geschehen war, hatte sie für heute Abend mit einer Art Wandel gerechnet. Sie wusste nicht, ob sie verärgert oder erfreut sein sollte, dass es keinen zu geben schien.
    Fane machte die Tür auf und kündigte sie so feierlich an, als beträte sie einen Großen Salon. Raeburn sah von einem niedrigen Tisch auf, der vor dem kleinen Ofen stand, und winkte mit ein und derselben Handbewegung den Dienstboten weg und Victoria herein.
    In der Mitte des Tischs stand ein verzweigter Kandelaber, der den Raum in ein sanftes Licht tauchte, das Raeburns harte Gesichtszüge sonderbar besänftigte. Er lehnte sich, auf die Hände gestützt, nach hinten und sah sie an. Die aufgeknöpfte Weste öffnete sich. Das Jackett lag neben ihm auf dem Boden. Er hatte die Hemdsärmel hochgerollt und den Kragen aufgemacht. Er wirkte gleichermaßen träge wie angespannt und verströmte eine hungrige Sinnlichkeit, die die Kluft zwischen ihnen beiden überbrückte und förmlich ihre Haut streichelte.
    Sie kam langsam zu ihm und hatte das Gefühl, immer tiefer in eine orientalische Fantasie zu geraten. Das Zimmer sah noch exotischer und prachtvoller aus als die Nacht zuvor, als entstamme es den Fieberträumen eines Illustrators, der es mit der gewagtesten Übersetzung der Märchen aus Tausendundeiner Nacht zu tun bekommen hatte. Im Licht der einen Kerze hatte das Zimmer nach einer östlichen Extravaganz ausgesehen, aber jetzt traten das Rot, Blau, Grün und Gold zutage. Von den unzähligen Kissen, die sich auf dem Boden türmten, dem guten Dutzend Teppichen und den drei Diwans trugen nicht zwei dasselbe Muster.
    »Kommen Sie«, befahl Raeburn, streckte die langen Beine aus und sah zu ihr auf. »Aber vielleicht wollen Sie auch diesen Apparat ablegen.« Er wedelte in Richtung ihrer Krinoline. »Ich fürchte, die wird recht störend sein, wenn Sie wie ein Orientale essen wollen.«
    »Ich bin sicher, ich schaffe das schon«, sagte Victoria, ahmte seinen lockeren Tonfall nach und ignorierte die aufregende Mischung aus Vorfreude und Angst. Wusste er das Vertrauen, das sie ihm heute Nachmittag geschenkt hatte, in irgendeiner Weise zu schätzen? Sie konnte es nicht sagen. Sie schob sich eines der Kissen auf der anderen Seite des Tischs zurecht und stellte sich in Position, bevor sie sich vorsichtig setzte und ihre Röcke sich um sie bauschten. »Erweisen Sie mir heute die Ehre, mich persönlich zu bedienen, anstatt mir die makellosen Dienste Ihres überaus exzellenten Personals angedeihen zu lassen?«
    Raeburns Mundwinkel zuckte, doch er reagierte kühl. »Dass es meinem Personal an Benehmen mangelt, ist auch meine Schuld und die meines beklagenswerten Großonkels. Zwei Jahrzehnte Senilität machen keine exzellenten Diener. Er hat mir gerade zwanzig hinterlassen, wo ich mindestens dreimal so viele bräuchte, um das Haus in Schuss zu halten.« Er deckte eine der Platten auf – kalte Zunge, blasses zerkochtes Gemüse und so etwas wie Kartoffeln, die grau und unappetitlich aussahen. Doch der Geruch, der ihr entgegenwehte, war einigermaßen angenehm, wenn auch nicht verführerisch.
    Die prosaische Natur des Essens und der Unterhaltung passte nicht zu der prachtvollen Umgebung und der erotischen Spannung, die in der Luft lag, hatte aber auch etwas seltsam

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