Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)
Tröstliches an sich. »Und Sie haben, seit Sie der Duke of Raeburn sind, nichts in der Sache unternommen?«
Raeburn zuckte die Schultern und deckte drei weitere Platten auf. »Ich widme meine Zeit lieber dem Witwenhaus und dem Versuch, Raeburn wieder profitabel zu machen.« Er legte ihr großzügig von allem auf und wandte sich wieder der nahe liegenden Frage zu. »Meine eigene Köchin ist nach Essex zurückgegangen, um sich um ihre Mutter zu kümmern, mein Butler hat geheiratet, und den Rest meines Londoner Personals habe ich entlassen.« Sein Tonfall ermutigte sie nicht, weiter nachzufragen.
Victoria nahm eine Gabel gemischten Gemüses, um die peinliche Stille zu überbrücken, und suchte nach einem neuen Thema, damit die Unterhaltung nicht vollständig zum Erliegen kam; falls sie es doch tat, war es auch egal. Schließlich fielen derartige Peinlichkeiten, wie es sich gehörte, auf den Gastgeber zurück, und sie hätte kein schlechtes Gewissen zu haben brauchen. Aber irgendwie war es ihr doch nicht egal. Also rettete sie die Unterhaltung mit allem Charme, den sie aufbringen konnte. »Es dürfte nicht schwer sein, aus derart großen Ländereien Profit zu schlagen.«
Raeburn schüttelte den Kopf, doch die Anspannung schwand aus seinem Gesicht, und Victoria spürte, wie sich ihre Muskeln, die sie nicht für angespannt gehalten hatte, lockerten. »Für zwei der Parzellen kann ich nicht einmal Pächter finden, und bei den anderen musste ich die Pacht reduzieren. Mit Wolle lässt sich kein Geld mehr machen. Und die Herden auf Raeburn sind bestenfalls armselig. Ich habe ein paar Merinoschafe aus Spanien kommen lassen, um die Langhaar-Herden aufzubessern, und irische Landschafe für die Kurzhaarigen, aber es wird Jahre dauern, bis wir Ergebnisse sehen.« Sein Gesicht verdunkelte sich. »Und bis dahin werden Stoneswold und Weatherlea schon halb verlassen sein, weil sämtliche Webarbeiten von den Fabriken in Leeds gemacht werden. Die Weberfamilien sind fast alle fort oder arbeiten in der Landwirtschaft.«
Victoria begriff, dass er sich Sorgen machte – nicht nur um Geld und Besitz, sondern auch um die einfachen Dorfbewohner. Seine Besorgnis mochte etwas Mittelalterliches haben, doch auch wenn sich feudalistische Untertöne hineinmischten, hatte sie doch etwas Ritterliches an sich, das recht anrührend war. »Oh«, sagte sie und nahm wieder von dem Gemüse, das auf der Zunge unangenehm zerfiel. Sie zog ungewollt eine Grimasse.
Raeburn zog eine Augenbraue hoch. »Wie ich sehe, haben Sie sich noch nicht an die Yorkshire-Küche gewöhnt«, sagte er.
Victoria lächelte bedauernd. »Nein«, gab sie zu und dachte sehnsüchtig an den französischen Küchenchef auf Rushworth. Rushworth . Die kalte, ordentliche Kalksteinfassade erschien ihr inzwischen wie ein ferner Traum. Der Herzog war da viel realer. Er drehte müßig seine Gabel und sah sie aus halb geschlossenen Augen an. Ein Lächeln geisterte um seine Lippen, und sie fragte sich, woran er wohl dachte, als es ihr warm über den Rücken lief. Nicht, dass es etwas gezählt hätte. Was zählte, war einzig, dass sie sich heute Nacht wieder miteinander vergnügen würden, ohne Angst und Schuldgefühle, und nach weiteren fünf Nächten würden sie für immer auseinander gehen. Und sie konnte vergessen, was immer sie ihm in Momenten der Schwäche anvertraut hatte. Eine Woche voller Fleischeslust, am Ende eine Belohnung und zurück in die Gesellschaft, als wäre sie nie fort gewesen. Der Gedanke hätte tröstlich sein sollen, aber stattdessen lag er ihr so kalt im Magen, dass er sogar Raeburns Hitze vertrieb.
Sie schüttelte den Gedanken ab und nahm noch einen Bissen vom zerkochten Essen, gefolgt von einem Schluck Wein. »An Ihrem Weinkeller ist jedenfalls nichts auszusetzen«, sagte sie und versuchte, das Gespräch locker zu halten, obwohl ihr nicht danach zumute war.
Raeburn schien ihr Unbehagen nicht zu bemerken und hielt die rote Flüssigkeit vor eine Kerzenflamme. »Das hoffe ich doch. Der Wein ist das Einzige, das ich aus London habe schicken lassen, und es hat einen ganzen Monat gedauert, bis sich alles gesetzt hatte und er trinkbar war.«
Victoria folgte dankbar dem neuen Gesprächsverlauf und fing eine Diskussion über Rebsorten und Transportmethoden an, die bis zum Ende des Essens andauerte. Sie hatte sich ablenken und Raeburn bei ungefährlichen Themen halten wollen, doch als sie nach dem letzten Bissen die Gabel weglegte, wusste sie, dass sie gescheitert war. Der
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