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Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Rebellin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce
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Anzeichen dafür gewesen, dass er ihre Anwesenheit wahrnahm.
    Ein weiterer Ruck presste Victoria in den Sitz, und die Kutsche kam abrupt zum Stehen. Sie fürchtete schon, es habe einen Achsenbruch gegeben, doch dann flog die Tür auf, und das verkniffene Gesicht des Lakaien tauchte auf, umstrahlt von Sonnenschein.
    »Wir sind da, Euer Gnaden«, verkündete Andrew und ignorierte Victoria.
    Raeburn fuhr hoch und sank mit frustrierter Miene sofort wieder in die Polster zurück. »Ich kann nicht«, ächzte er. »Gehen besser Sie, Lady Victoria, ich sehe zu, dass ich von hier drinnen etwas erkennen kann.«
    Victoria stolperte hinaus und weg von der Tür. Sie zwinkerte gegen die plötzliche Helligkeit und das Gemisch aus bei ßendem Rauch und Hitze an. Als ihr Blick wieder klar war, stellte sie fest, dass sie sich auf einem kahlen Platz befand. Direkt vor ihr schlugen die Flammen durch das Schindeldach eines Hauses bis zum Himmel empor.
    Also nur ein Haus und nicht das ganze Dorf – zuerst verspürte sie vor allem Erleichterung. Doch die Flammen wurden von Minute zu Minute höher, und der Wind trieb die Funken auf das benachbarte Hausdach, das viel zu dicht daneben stand.
    Zwei Burschen pumpten Wasser in die Eimer und versuchten, dem Inferno mit schierer Energie beizukommen, doch das einzige Ergebnis ihrer Mühen war eine zischende Dampfwolke. Weitere Eimer standen leer am Brunnen.
    Die anderen Dörfler standen auf dem Platz herum, dazu die Möbel aus dem gefährdeten Nachbarhaus. Sie starrten nur mit leerem Blick ins Feuer oder beobachteten desinteressiert Victoria und die Kutsche. Annie war auch da. Sie weinte und klammerte sich an den Kragen eines rußbefleckten Mannes, der die Arme um sie gelegt hatte. Aber mit ihrem Gefühlsausbruch schien sie allein zu sein. In den anderen verschwitzten Gesichtern war nur Resignation zu sehen.
    Die Stimme des Herzogs riss Victoria aus ihrer Betrachtung der Szenerie. Sie drehte sich um und sah, wie Andrew sich in die Kutsche beugte. Einen Augenblick später rief er: »Wo sind die Firsthaken?«
    Der rußbefleckte Mann antwortete: »Die waren in der Schmiede, als sie hochgegangen ist.«
    Es folgte eine kurze Konsultation, dann rief der Lakai: »Macht die Quilts nass und werft sie auf das Dach!« Die Dörfler zögerten. »Los, jetzt. Seine Gnaden wird euch neue Quilts besorgen, wenn es sein muss, das ist allemal leichter, als ein Haus wieder aufzubauen.«
    Die rotgesichtige Frau, die neben dem rußgeschwärzten Mann stand, schrie auf und schluchzte. Dann zog sie die Tagesdecke und das Bettzeug von einem der Betten, die im Gebüsch standen, und lief damit zur Pumpe. Victoria setzte sich zögerlich in Bewegung, unsicher, ob ihre Hilfe willkommen war, doch als die Frau die Pumpe erreicht hatte, sprangen ihr die beiden Burschen zur Seite. Ein paar Sekunden später hielten sie die triefenden Decken in den Armen und stiegen hastig den Holzstoß an der Seite des Hauses hoch. Sie warfen ihre Bündel aufs Dach und kletterten hinterher. Die Dörfler riefen ihnen, aus ihrer Resignation gerissen, aufmunternd zu. Einer der beiden schwang das Bein über den First, doch der andere packte ihn am Arm und sagte etwas zu ihm. Dann schnappten sie sich je zwei Ecken einer Decke und schleuderten sie in die Luft, worauf sie ausgebreitet auf dem Dach landete. Das wiederholten sie, bis das gesamte Dach bedeckt war. Dann rutschen sie rußschwarz und grinsend unter dem Beifall der Dörfler vom Dach.
    Andrew besprach sich erneut mit dem Herzog, dann rief er: »Was steht ihr noch rum? Holt euch die Eimer und macht den Boden nass.«
    Die Dörfler eilten los, und Andrew nahm die immer noch schluchzende Annie in die Arme und flüsterte ihr ins Haar.
    Die Dorfbewohner liefen um Victorias Krinoline herum. Sie kam sich überflüssig vor und kehrte zur Kutsche zurück. Sie stieg auf die Trittstufe und beugte sich ins schattige Innere, wo Raeburn halb geduckt zwischen den Sitzen stand. Er starrte sie eine lange Zeit nur an, bevor er sich mit einem erstickten Schnauben auf seinen Platz fallen ließ. Es war die erste völlig unbedachte, ungraziöse Bewegung, die sie je an ihm gesehen hatte. Sie hielt kurz inne und balancierte zwischen der Trittstufe und dem Kutschboden, bevor sie ihren Platz einnahm.
    Raeburn lehnte sich zurück, als sähe er sie gar nicht, und schloss die Augen. Victoria sah in ihm vielleicht zum ersten Mal den einfachen Mann, nicht den mysteriösen Herzog – erschöpft, frustriert, mittleren Alters und in

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