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Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Rebellin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce
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paar Jahre älter sei als unsere künftige Königin, und dass er mich heiraten und den Thron besteigen würde.«
    »Keiner von den kleinen Träumen.«
    »Ihrer doch auch nicht. Sich vorzustellen, dass ein einzelner Mann den Gang der Zeit aufhalten könnte, wie entschlossen er auch sein mag.«
    Plötzlich zerriss ein Krachen die Luft und unterbrach sie. Victoria fuhr auf und sah das Dach der Schmiede zusammenstürzen. Funken schossen durch die Luft, und Schindeln regneten ins Innere des ausgebrannten Hauses. Die Dorfbewohner liefen aufgeregt los. Langsam, fast majestätisch, stürzte die Wand, die dem Nachbarhaus am nächsten stand, nach innen zusammen, und die Flammen, die einen Moment lang erstickt gewesen waren, schossen doppelt so hoch wieder empor.
    Raeburn seufzte, woraufhin Victoria ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtete. Die Anspannung war aus seinem Gesicht verschwunden, und Victoria begriff, dass er abgewartet hatte, bis die Mauer fiel, denn wäre sie nach außen gestürzt, hätte sie das Nachbar-Cottage mitgerissen.
    »Andrew!«, rief Byron, und der Lakai erschien kurz darauf in der Tür, die errötende Annie halb hinter sich versteckt. »Wir fahren. Aber vorher sagen Sie Tom Driver noch, dass ich ihm seine Schmiede wieder aufbaue, falls er sich zum Bleiben entschließt.«
    »Ja, Euer Gnaden.« Andrew warf den Schlag zu, und sie saßen wieder im Dunkeln.
    Im Dunkeln. Bevor sie noch die Nerven verlieren konnte oder sonst wie unterbrochen wurde, platzte Victoria mit der Frage heraus, die sie seit ihrer Ankunft umtrieb. »Warum meiden Sie das Licht?«
    Raeburn blieb reglos sitzen, und sie spürte seine plötzliche Anspannung, während die Kutsche sich in Bewegung setzte.
    »Nennen Sie es eine Affektiertheit.«
    Die Worte waren leicht dahingesprochen, doch sein Tonfall war unzweideutig – das Thema war damit beendet, und er würde keine weiteren Fragen tolerieren.
    Mit sinkendem Herzen lehnte Victoria sich zurück und schwieg die restliche Fahrt über.
     
    »Warum haben Sie mich nach Annie gefragt?«, sagte Raeburn.
    Victoria stand ihm gegenüber vor der Tür des Einhorn-Zimmers. Seit der unglückseligen Frage in der Kutsche verhielt sie sich kühl und abweisend. Raeburn hatte ihr widerstrebend vorgeschlagen sich zurückzuziehen, so peinlich angespannt, wie die Stimmung zwischen ihnen beiden war. Dann hatte er sie höchstpersönlich auf ihr Zimmer begleitet, und sie hatte auch nicht protestiert.
    »Nennen Sie es eine Affektiertheit.«
    Die abgehackten Worte trafen ihn wie ein Schlag. Victoria schien es ihm anzusehen, denn ihr Gesichtsausdruck wurde milder. Ihr schien unwohl zu sein. »Es ist nicht wichtig. Nur einer von diesen sonderbaren Gedanken, die mir in letzter Zeit durch den Kopf gehen. Ich glaube, früher habe ich nie etwas groß hinterfragt, aber jetzt …« Sie sah ihn freimütig mit grauen Augen an. »Jetzt, wo ich damit angefangen habe, kann ich scheinbar nicht mehr aufhören.« Ihre Ausführungen hörten sich wie ein Friedensangebot an.
    Byron nahm es mit einem Nicken an, und nach einer Weile stellte er seinerseits eine Frage. »Fragen Sie sich jemals, was aus Ihrem Kind geworden wäre?« Er stellte die Frage ganz leise, und nachdem er selbst so schweigsam gewesen war, rechnete er damit, dass sie sich ohne zu antworten wegdrehen würde.
    Aber zu seiner Überraschung lachte sie freudlos. »Nein, weil ich es nur allzu gut weiß. Einer Pfarrersfamilie in Pflege gegeben, irgendwo auf dem Land versteckt, und hätte das nicht funktioniert, mit mir zusammen ins Exil geschickt, nach Nizza oder Rom. Nein, ich frage mich das nie, und ich bin auch kaum je traurig, dass es nicht überlebt hat. Es wäre ein schreckliches Leben für ein Kind gewesen.«
    »Und für seine Mutter.«
    »Ja, ich gestehe meine Selbstsucht ein.« Ihr Blick wanderte in weite Ferne. »Manchmal – nicht oft, hören Sie, nur manchmal – sehe ich mir die anderen Mädchen an, die im selben Jahr wie ich debütiert haben, und ich frage mich, zu welcher Gruppe ich wohl gehört hätte. Zu denen, die es hassen, jedes Kind auszutragen, die ihre Kinder schmutzige kleine Kreaturen nennen, sie den Kindermädchen überlassen und ihnen bestenfalls am Sonntag den Kopf tätscheln? Oder zu denen, die ohne Zwischenstufe von der Kindfrau zur Matrone werden und deren Welt sich um nichts als Zahnen und erste Schritte dreht, wie zuvor um Tanzkarten und schöne Kleider?« Sie schüttelte den Kopf.
    »Zu keiner von beiden. Solche Unterscheidungen sind

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