Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)
der Duke im Dorf waren.
Die Gestalt war nicht mehr weit vom Herrenhaus entfernt, als unter Victorias Fenster eine andere Gestalt auftauchte. Das rotblonde Haar und der ungelenke Gang ließen keinen Zweifel: Andrew. Als die Frau den Lakaien sah, fing sie zu laufen an, bis die beiden einander schließlich in den Armen lagen.
Sie machten keine Anstalten, einander zu küssen – sondern standen nur reglos da, die Arme umeinander gelegt. Victoria spürte, wie sich ein Gewicht auf ihre Seele legte, eine undefinierbare Traurigkeit, die sie sich langsam und alt fühlen ließ – und eifersüchtig.
Sie drehte sich abrupt weg und ärgerte sich darüber, dass sie sich überhaupt das wünschen konnte, was das Hausmädchen hatte. Sie würde jetzt die Kerze anzünden und den Brief versiegeln. Und dann würde sie über etwas anderes nachdenken. Etwas, das allein ihre eigenen Angelegenheiten betraf.
13. Kapitel
»Schon wieder ein anderes Zimmer?«, fragte Victoria, als Fane sie mit einer Verbeugung in die Henry-Suite entließ.
»Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus«, sagte Byron und legte den Wälzer weg. »Sie hatten Recht, der Turm ist wirklich zu geschmacklos.« Er bedeutete ihr, an einem kleinen Spieltisch Platz zu nehmen, wo bereits das Essen aufgetragen war. »Abgesehen davon bin ich so mit den Aufzeichnungen beschäftigt, dass es mir hier bequemer erschienen ist.«
»Natürlich.« Sie setzte sich anmutig auf den Stuhl. »Ihr Geschmack, was Frauenkleider angeht, ist exzellent«, merkte sie an und deutete auf das tief kornblumenblaue Kleid. Es musste schon früher am Tag eingetroffen sein, aber Byron war nicht benachrichtigt worden. Kein Wunder bei alledem, was passiert war.
»Ich fürchte, ich habe kaum mehr getan, als die Farbe auszusuchen.« Er stand auf und kam auf ihre Seite, beäugte das Kleid kritisch. Er musste zugeben, die Näherinnen hatten ihre Sache gut gemacht. Sie waren im Rahmen der derzeitigen konservativen Dinner-Mode geblieben und hatten dennoch etwas fast schon Provokatives zustande gebracht. Das Oberteil glich einem Herrenjackett und war mit dunklem Band abgesetzt. Aus dem langen Revers blitzte eine gerüschte Hemdbrust. Er hatte einen ähnlichen Stil schon an Dutzenden von Frauen gesehen, doch bei Victoria schien er etwas zu enthüllen, das nicht dazu bestimmt war, gesehen zu werden. Vielleicht lag es an der Art, wie sie sich bewegte, oder sogar an dem, was Byron mittlerweile von ihr dachte.
Er schüttelte den Kopf und sah ihr ins Gesicht, das von kleinen, sorgsam gelegten Löckchen gerahmt war. Eine zarte Röte lag auf ihrem Porzellanteint, und ihre Augen strahlten schon fast unnatürlich, auch wenn sie den Mund nach unten zog, wie er es noch nicht an ihr gesehen hatte.
»Zu jeder anderen Frau würde ich sagen, dass das Kleid nicht halb so hinreißend sei wie die Dame darin, aber ich fürchte, Sie würden mich meiner Oberflächlichkeit wegen auslachen.«
Victorias Lippen zeigten ein kleines Lächeln. »Oh, nein. Ich würde nicht lachen, ich wäre schrecklich enttäuscht. Ich hatte Besseres von Ihnen erwartet.«
»Hatten? Ich habe es mir verkniffen und fange mir trotzdem einen Tadel ein?« Er fasste sie am Kinn und folgte mit dem Daumen der feinen Kontur ihrer Wangen. Er wusste nicht, weshalb ihn die Zartheit ihrer Haut, die so anders war als seine, so faszinierte. War sein Gesicht je frei von jenen hunderten kleinen Narben und Vertiefungen gewesen, die es jetzt verunzierten? War sie bei seiner Geburt vielleicht so zart gewesen, wie Victorias Haut es immer noch war? Er ließ die Hand sinken.
Victoria musste seine finstere Miene gesehen und missverstanden haben, denn sie nahm seine Hand und sah ernst zu ihm auf. »Ich wollte Sie nicht verärgern. Witzeleien scheinen mir heute einfach unpassend.«
Er zwang sich zu lächeln. »Es hat nichts mit Ihnen zu tun, nur so ein Gedanke, der mir gerade gekommen ist. Mir ist heute auch nicht nach Witzen zumute.«
Sie lachte, aber es hörte sich hohl an. »Das Feuer hat vieles einstürzen lassen. Ich fürchte mich, nachzusehen, was noch übrig ist.«
Byron nahm ihr gegenüber Platz und deckte die Platten auf. »Das Abendessen. Auch wenn ich bezweifele, dass es unsere Stimmung heben wird. Ich fürchte, da gibt es auch heute Abend keine Überraschungen. Zerkochte Erbsen; das, was die Köchin unter ›Pommes Anne‹ versteht; die Reste von der kalten Zunge und dem Kaninchenragout.« Er legte ihr auf. »Sie sollten sich geschmeichelt fühlen. Mrs.
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