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Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Rebellin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce
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seines Großonkels zur Lebensaufgabe gemacht und schien zu glauben, er habe deshalb ein Anrecht auf Byron. Dr. Merrick war ein guter Mann, ein mitfühlender Mann, aber all das Experimentieren war sinnlos – genau wie das der anderen hundert Ärzte, die Byron zuvor konsultiert hatte -, und Byron hätte ihn am liebsten dafür erwürgt. Es war schlimm genug, unter einer solchen Erkrankung zu leiden, aber es war noch schlimmer, mit jemandem konfrontiert zu sein, für den sie eine stetige Quelle der Faszination darstellte.
    Er hätte jedes Recht gehabt, auf Victoria wütend zu sein. Hätte sie seinen Hut nicht gestohlen und ihn weggestoßen, als er versucht hatte, ihr zu helfen … Aber Victorias Part erschien ihm nur wie weiterer Teil der größeren Ironie seines Lebens.
    Victoria würde wieder gesund werden, tröstete er sich, das hatte ihm Dr. Merrick versichert. Auch wenn er sie nie wiedersah, würde er doch nicht mit der Schuld leben müssen, sie mit einer Verletzung fortgeschickt zu haben, die nie mehr heilen würde. Will, Charlotte, Leticia. Gott, ruinierte er denn alles Gute, das ihm im Leben widerfuhr?
    Byron schloss unter dem Tuch die Augen und versuchte, sich aufs Einschlafen zu konzentrieren, doch es verging eine lange Zeit, bis es ihm gelang.
     
    »Erzählen Sie mir mehr von dem alten Duke«, sagte Victoria. Sie betrachtete die Auffahrt und das Dorf dahinter, die Ansammlung der Cottages und die niedergebrannte Schmiede. Mrs. Peasebody hatte protestiert, als Victoria aufstehen wollte, aber Victoria hatte zu starke Kopfschmerzen zum Lesen und hatte geglaubt, verrückt werden zu müssen, wenn sie eine weitere Stunde damit zubringen musste, den Wandbehang mit dem Einhorn anzustarren, zumal ihre Gedanken ständig in das Gewirr aus düsteren Gängen abwanderten, in denen irgendwo der Herzog lauerte …
    Also war sie mit Hilfe Mrs. Peasebodys zum Fenster gehüpft und hatte sich auf die in die Wand eingelassene Bank gesetzt und ihr Bein auf den Sitz gegenüber gelegt. Aus dem Fenster zu schauen, stellte eine Verbesserung dar – die Hügellandschaft gehörte nicht so unentrinnbar und erdrückend zu Raeburn wie jeder Stein des Herrenhauses.
    »Was wollen Sie wissen, Mylady?«, fragte Mrs. Peasebody.
    »Ich weiß nicht.« Alles, was mich von seinem Nachfolger ablenkt. Sie schüttelte den Kopf, verdrängte den Gedanken und fixierte die verkohlten Reste der Schmiede. »Erzählen Sie mir von ihm und Annies Mutter«, sagte sie und griff wahllos ein Thema heraus.
    Das rhythmische Klappern von Mrs. Peasebodys Stricknadeln wurde langsamer. »Also, Liebes«, sagte die Haushälterin nach einer Weile, »da gibt es nicht viel zu erzählen, würde ich meinen. Und das, was es zu erzählen gibt, ist mehr, als ich Ihnen erzählen darf. Nicht, dass es irgendeinen Schaden anrichten könnte, aber es ist nicht richtig, Geschichten über die Toten zu verbreiten. Aber falls Eure Ladyschaft sie hören wollen …«
    »Ich will.«
    »Polly war natürlich ein Hausmädchen. Ich glaube, das habe ich Ihnen schon erzählt.«
    »Haben Sie.«
    »Also, das war sie. Und ich glaube, der größte Ehrgeiz, den sie je gehabt hat, war, im Salon zu bedienen. Sie hat nie auf eine Heirat gehofft. Sie war nicht hübsch genug. Ich sage das, obwohl ich die Letzte bin, die ein unfreundliches Wort sagen würde, wie Sie ja wissen. Also, die meisten hätten sie wohl durch und durch hausbacken genannt. Das allein hätte es schon schwer genug gemacht, einen Mann zu kriegen, aber mit drei Brüdern konnte sie sich wirklich keine Hoffnungen machen. Außerdem war sie ein bisschen langsam im Kopf. Sie war nett – soll keiner sagen, dass ich das nicht zugestehe -, nett, aber langsam.«
    »Warum hat der Duke sie dann haben wollen?«, fragte Victoria so neugierig, wie es eigentlich nicht ihre Art war.
    »Ach, Liebes, das war nicht so, wie Sie denken – nicht bei diesem Mädchen zumindest. Der alte Duke hat seine Dienstboten in Ruhe gelassen und sich seine Unterhaltung aus den Dörfern oder aus Leeds kommen lassen. Nein, Polly ist seine Pflegerin geworden, nachdem die, die er aus London hat kommen lassen, gegangen ist. Sie haben stundenlang miteinander geredet, ein halb verrückter alter Mann und ein begriffsstutziges Mädchen vom Land. Und ich denke, nach einer Weile ist er ihr nicht mehr so verrückt vorgekommen und sie ihm nicht mehr so dumm.«
    Schockiert von der ungewohnten Offenheit der Haushälterin, schaute Victoria zu Mrs. Peasebody hinüber, die neben dem Kamin

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