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Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Rebellin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce
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über dem See. Jack ist bei mir – er lässt mich dieser Tage nicht allein, der liebe Junge. Meine Kopfschmerzen sind zurückgekehrt, schlimmer denn je, aber Du brauchst Dir keine Sorgen um mich zu machen. Jack sagte, du seiest dabei, ein paar geschäftliche Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, wobei ich keine Vorstellung habe, was für Angelegenheiten das sein sollten.
    Bitte, komm heim, sobald Du kannst. Ich stelle plötzlich fest, dass ich Dich vermisse.
    Deine Dich liebende Mama
    Victoria runzelte die Stirn. War der letzte Brief schon seltsam gewesen, war es dieser nur noch mehr. Es schien ihr unmöglich, dass ihre Mutter einen derart wirren Brief geschrieben haben sollte. Dieses Gefühl des Unwirklichen kehrte zurück, stärker als zuvor. Es konnte keine Welt jenseits des Herrenhauses geben, und ihre so genannte Abreise würde sie in eine gänzlich unbekannte Dunkelheit stürzen …
    Sie seufzte, schüttelte den Kopf über sich selbst und versuchte, an nichts anderes mehr zu denken als an das Sonnenlicht, das auf den Steinboden der Terrasse fiel.
     
    Byron stand im Schatten unterhalb der Tür des Gartenzimmers. Aus diesem Blickwinkel konnte er nichts anderes erkennen als Victorias hellen Scheitel über der Lehne des Rollstuhls und ihre Hand, die über die Lehne hing und ein Stück Papier baumeln ließ. Das helle, glatte Haar und die weiße Hand, die schlaff herunterhing wie eine verwelkende Lilie – es drückte ihm das Herz ab.
    Er wusste, er hätte gehen sollen. Er konnte nicht zu ihr, so wie das Sonnenlicht in den Raum leuchtete. Und sein Gesicht fühlte sich immer noch angespannt an und musste voller Striemen und Blasen sein. Doch er rührte sich nicht von der Stelle. Er stand einfach da und sah sie an, während die Sekunden verstrichen. Victoria bewegte sich nicht, zuckte nicht mit einem Finger, und Byron glaubte, sie sei vielleicht eingeschlafen.
    Schritte hallten durch den Gang, und er trat zur Seite, als Annie sich der Tür näherte. Victoria drehte sich um, als das Mädchen das Zimmer betrat, ihr Gesicht war immer noch von der hohen Korblehne des Stuhls verdeckt.
    »Ich wollte fragen, ob Sie irgendetwas brauchen, Tee, ein Kissen für den Fuß?«
    »Nein, danke, Annie. Es ist alles gut so. Sie können gehen.« Ihre Stimme war ruhig, aber Byron hörte ihre große Entrücktheit, als spräche sie von einem weit entfernten Ort aus zu Annie, und er fragte sich, ob sie das Opium genommen hatte, das der Doktor für sie dagelassen hatte.
    Annie drehte sich wieder in seine Richtung und huschte in ihrer schüchternen Art an ihm vorbei, und er stand wieder allein unter der Tür. Victoria saß eine lange Zeit wie erstarrt da, dann verschwand ihr Scheitel, gefolgt von der Hand, und es dauerte einen Moment, bis Byron begriff, dass sie den Kopf in die Hand stützte.
    Es war an der Zeit, etwas zu sagen oder zu gehen. Und er hatte weder die Kraft noch den Verstand, ihr den Rücken zuzukehren. Also sprach er. »Lady Victoria, meine süße Circe.« Er hatte sich nicht überlegt, was er sagen wollte, und die zärtlichen Worte entflohen ihm wie ein Seufzer.
    Es raschelte, als sei Victoria zusammengezuckt, dann hörte er ihre Stimme. »Ja?«, fragte sie leise, aber ungläubig, als zweifle sie an ihren Sinnen.
    »Ich muss mit Ihnen sprechen.«
    »Über unseren Handel.« Es war keine Frage. »Ich verstehe. Ich habe gegen unsere Abmachung verstoßen, also ist meine Anwesenheit nicht länger erwünscht. Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen bereitet habe, und versichere Ihnen, dass ich abreise, sobald ich mich dazu in der Lage fühle.« Sie sprach immer schneller und kam mit einem atemlosen Keuchen zum Ende.
    »Nein.« Das Wort war heraus, bevor er es noch aufhalten konnte.
    »Verzeihung?« Der Stuhl verströmte eine angespannte, argwöhnische Reglosigkeit.
    »Nein«, wiederholte er barsch. »Sie werden nicht fahren. Der Vertrag ist so lange nicht gebrochen, bis ich nicht sage, dass Sie die letzten beiden Nächte nicht meinen Wünschen entsprechend verbracht haben. Aber das sage ich nicht. Der Vertrag ist immer noch in Kraft.«
    Ihr Scheitel tauchte wieder auf; sie hatte sich aufgerichtet. »Aber ich bin gegangen, und ich bin verletzt...«
    »Sie haben versucht zu gehen. Was Ihnen nicht gelungen ist. Der Vertrag ist in Kraft.«
    Sie schwiegen eine Weile, dann fragte sie mit einer Stimme, die dünn wie ein Glasfaden war: »Warum, Raeburn? Warum wollen Sie, dass ich bleibe? Ich tauge nicht mehr für

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