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Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Rebellin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce
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Ihr Bett.«
    Byron runzelte die Stirn und zuckte zusammen, als die wunde Haut sich spannte. »Weil ich mich an Sie gewöhnt habe, vermute ich. Weil ich die ganze Zeitspanne haben will, auf die wir uns am Tag Ihrer Ankunft geeinigt haben.« Weil ich Sie hier haben will, wie viel Zeit uns auch bleibt.
    Es folgte die nächste Pause.
    »Würden Sie – würden Sie herkommen, damit ich Sie sehen kann?«
    Byrons Herz krampfte sich zusammen, und er musste erst Luft holen, bevor er antworten konnte. »Nein. Sie werden mich bis zu Ihrer Abreise nicht mehr zu sehen bekommen.«
    Stille, endlose Stille, dann ein harscher keuchender Laut, und Victorias Kopf verschwand hinter der Lehne. Dann war wieder etwas zu hören, und Byron begriff, dass sie weinte.
    Seinetwegen.
    Er verspürte den wahnsinnigen Impuls, ins Zimmer zu stürzen, sie in seine Arme zu reißen und ihr zu sagen, dass sie nie, nie wieder zu weinen brauchte …
    Aber die Sonne schien gnadenlos durch die Fenster; die Sonne, die ihm das Gesicht versengt hatte und ihn als das zeigen würde, was er war – ein vernarbtes Monster, eine Missgeburt -, also bewegte er sich nicht. Er wagte lange nicht, irgendetwas anderes zu tun, als einfach dazustehen, während sein eigener keuchender Atem Victorias leises Weinen übertönte. Doch dann hielt er es nicht länger aus und machte auf dem Absatz kehrt. Er lief blind die Gänge entlang, ließ sich von der Dunkelheit schlucken, auf dass sie ihn durchdrang und ihm Vergessen schenkte, bis nur noch seine Hülle übrig war.
     
    Er wusste nicht, wie viel später es war, als er sich im fensterlosen Schlafzimmer der Henry-Suite wiederfand. Er war nicht bewusst dorthin gelaufen – er hatte überhaupt kein konkretes Ziel im Sinn gehabt, als er die endlosen, verschlungenen Flure entlanggeeilt war, dennoch war er hier angekommen. Der Raum war stockdunkel, aber Byron wusste, dass die Spiegelkommode einen Schritt zu seiner Rechten stand, drei Schritte vom Bett entfernt. Seine Haut brannte in zwei langen Feuerstriemen, eine auf jeder Wange, und erinnerte ihn augenblicklich wieder an sein Gesicht.
    Er streckte die Hand aus und fand die Lampe. Seine Hand verharrte einen Moment lang daneben, dann zwang er sich, die Finger um die Zunderbüchse zu schließen, die er immer dort liegen hatte. Ein Strich, und ein paar Sekunden später war die Lampe zum Leben erwacht. Er betrachtete die tanzende Flamme eine Weile lang, dann hob er die Augen und sah sein Spiegelbild an.
    Von der halben Stirnhöhe abwärts bis fast zum Kinn war sein Gesicht eine wütende rote Masse voller Striemen, als habe man immer wieder eine Fackel darüber gezogen, und um seine Augen herum dick mit Blasen bedeckt. Aber die Augen selbst waren unverändert, starrten ihn nass an. Nass... Er hob verwundert eine zitternde Hand an die Wange, und seine Finger waren feucht, als er sie fortzog. Das Salz der Tränen brannte auf dem rohen Fleisch, aber die Verwunderung überdeckte den Schmerz. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal geweint hatte. Nicht um Leticia, nicht um Charlotte und auch nicht um Will. Damals hatten sich Wut und Schmerz derart auf seinen Magen gelegt, dass er geglaubt hatte, sich übergeben zu müssen, aber Tränen hatte er keine vergossen.
    Gütiger Gott, wer war diese Frau, dass sie solche Dinge mit ihm tun konnte?
     
    Es war spät. Es gab keine Uhr auf dem Kaminsims, und ihre eigene war anfangs der Woche zusammen mit ihren Kleidern verschwunden, doch Victoria brauchte keine Hilfsmittel, um zu wissen, dass seit Sonnenuntergang viele Stunden vergangen waren. Um den Rand des Schutzschirms vor dem Kamin drang nur noch ein schwaches Leuchten herüber, und die abendlichen Haushaltsgeräusche waren lang schon verstummt. Die Lampe neben ihrem Bett war zum Lesen zu weit heruntergebrannt, aber das störte Victoria nicht; sie war nicht in Stimmung für solche Zerstreuung.
    Sie war erschöpft, das Zimmer verschwamm vor ihren Augen, und die Schatten in den Ecken nahmen sonderbare, tanzende Formen an, aber die Schmerzen an Kopf und Knöchel hinderten sie am Einschlafen. Sie machte die Augen zu und sah gebannt den roten Lichtmustern zu, die über ihre Augenlider flackerten, während der Wind um die Dächer und Türme des Herrenhauses toste. Ihr müder Geist gab den Mustern Namen, halb überlegt, halb halluziniert, und der Wind schien ihr Fetzen aus Erinnerungen zuzuwehen – an Walter, an die fünfzehn Jahre im Gefängnis ihrer eigenen Furcht, aber vor allem an den

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