Rebellin unter Feen
jetzt seit … etwa fünf Stunden.«
Klinge hob erstaunt den Kopf. »Wie hast du das …«
»Ich habe sie fest in die Decke eingewickelt und geschaukelt und ihr dazu etwas ins Ohr gesummt, und schon war sie eingeschlafen. Die Arme. Ich glaube, sie war von den vielen neuen Eindrücken einfach überwältigt.«
»Wie dumm von mir«, sagte Klinge kläglich. »Ich hätte gleich zu dir kommen sollen.«
Winka nickte. »Stimmt. Hast du nicht gemerkt, wie ich zuerst im Schlüpfzimmer und dann im Speisesaal mit allen Mitteln versucht habe, dich auf mich aufmerksam zu machen? Ich hätte fast getanzt, aber du hast mich übersehen. Ich weiß ja, ich bin nicht besonders groß, aber trotzdem!«
Klinge wurde rot. »Tut mir leid, ich habe einfach nicht daran gedacht …«
»Na ja, egal.« Winka bückte sich und zog die Wiege unter dem Nähtisch hervor. »Du kannst die Wiege haben, wenn du willst. Ich kann Dorna immer noch bitten, mir eine neue zu machen.«
»Eine neue? Warum?«
»Damit Linde hier schlafen kann, Dummerchen. Du willst doch, dass ich mich um sie kümmere, wenn du auf der Jagd bist, oder?« Winka musste das hoffnungsvolle Aufleuchten in Klinges Augen gesehen haben, denn sie fuhr munter fort: »Natürlich willst du das. Dann bring sie mir doch einfach, wenn du nach draußen musst, und ich passe bis zu deiner Rückkehr auf sie auf.«
»Was … soll ich dir dafür geben?«, fragte Klinge. Ihr Hals war wie zugeschnürt, und sie musste die Worte förmlich aus sich heraus pressen.
»Ich überlege mir schon was«, antwortete Winka. »Aber keine Sorge, es wird nicht besonders viel sein.« Sie blickte auf die schlummernde Linde hinunter und lächelte. »Ich habe mich sowieso nach einem Baby gesehnt, um das ich mich kümmern kann.«
In den folgenden Tagen wuchs Klinges Selbstbewusstsein als Pflegemutter. Linde schlief zwischen den Mahlzeiten länger und machte danach weniger Theater. Klinge konnte mit Winkas Hilfe ein paar Mal auf die Jagd gehen. Bis Ende der Woche hatte sie die Küche mit genug Fleisch versorgt, und nicht einmal Malve fand noch einen Grund für Beanstandungen.
Doch Klinge wusste nicht, was Amaryllis sagen würde, wenn sie von Winkas Hilfe erfuhr. Würde sie Klinge vorwerfen, ihre Pflicht zu vernachlässigen, und sie zwingen, Linde die ganze Zeit bei sich zu behalten? Winka wollte Klinges Bedenken nicht gelten lassen und meinte, die Königin habe bestimmt Verständnis. Klinge allerdings war sich nach dem, was Amaryllis im Schlüpfzimmer zu ihr gesagt hatte, nicht so sicher.
Dann eines Abends bestätigten sich ihre schlimmsten Befürchtungen. Es klopfte leise, aber hartnäckig an der Tür, und als sie aufmachte, stand Königin Amaryllis davor und wollte sofort Linde sehen.
»Aber … sie schläft«, stammelte Klinge. Was wollte die Königin so spät noch von ihr? Und warum kam sie ganz allein?
»Dann wecke sie auf«, sagte Amaryllis. »Aber wickle sie warm ein, denn ich muss sie mitnehmen.«
»Bitte nicht«, protestierte Klinge. »Winka hat es mir selbst angeboten, und sie passt auch nur auf, wenn ich auf der Jagd bin …«
Amaryllis bedeutete ihr mit einer Handbewegung, zu schweigen. »Du hast mich nicht verstanden, Klinge. Ich habe nichts gegen deine Abmachung mit Winka. Und ich will dir Linde auch gar nicht wegnehmen.«
Klinge fühlte sich seltsamerweise erleichtert. »Was … wollt Ihr dann mit Linde tun?«
Die Königin trat zu der Wiege in der Ecke, bückte sich und nahm Linde heraus. »Du stellst immerfort Fragen«, sagte sie.»Manchmal musst du deine Neugier einfach zügeln und gehorchen.« Sie nahm ein Fell von Klinges Bett und wickelte Linde darin ein, bis nur noch das kleine Gesicht zu sehen war. »Ich brauche nicht lange und bringe sie dir dann wieder.« Sie marschierte mit dem Baby aus dem Zimmer.
Klinge blieb neben der leeren Wiege stehen und lauschte auf die sich entfernenden Schritte der Königin. Dann eilte sie durch das Zimmer, öffnete hastig den Kleiderschrank und holte Mantel und Stiefel heraus.
Geduckt wartete Klinge am Eingang des Geheimgangs im Schatten der Hecke. Die Tür in der Ostwurzel ging auf, und die Königin schlüpfte nach draußen. Das trockene Gras raschelte unter ihren Füßen. Leichtfüßig wie eine Spinne eilte sie darüber. In einiger Entfernung von der Eiche blieb sie stehen und sah zu dem hellen Mond hinauf. Sie bückte sich, legte Linde auf den Boden und begann, sie aus dem Fell auszuwickeln.
Mit raschen Bewegungen entfernte sie eine Schicht
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